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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Fechtsachen (übermorgen). Ja, doch wohl; soweit er es sehen kann. Plötzlich tritt ihm Ida, die neben ihm sitzt, recht eigentlich erst ins Bewußtsein. Gut, denkt er; sie kann hier gleichfalls aufgezählt werden. Aber ist sie auch in Ordnung? Und durch Augenblicke lauschte seine Wachsamkeit wirklich hinaus, als könnte sich ein Bedrohliches nähern.
    »Worüber denkst du nach, Kokosch?« sagte sie leise und etwas schüchtern und legte ihre kleine heiße Hand auf die seine.
    Er schaute ihr voll ins Gesicht.
    »Ob – du ein weißer Rabe bist«, antwortete er. Sein Auge verriet jetzt eine gewisse Beängstigung, der Blick nagte gleichsam an ihren Zügen.
    »Wie –?« sagte sie. Ihr »Herzgesicht« war ganz geöffnet.
    »Oder – am Ende doch ein Molch«, fügte er hinzu.
    »Ein Molch –?« Sie lachte. Aber dahinter schob sich schon der dunkle Grund ihres Verständnisses und durch die Augen sah diese Verdunkelung heraus und trübte jenen den Glanz. Zur Antwort drückte sie nur stark seine Hand, während ein kleines Weh, ein weinerlicher Zug um ihre Mundwinkel huschte.
    »Nein, das verstehst du nicht«, sagte Conrad. Auch er lächelte jetzt schmerzlich, auf seine Art.
    Die Ausflüge der beiden pflegten mit einbrechender Dunkelheit in einem kleinen Wochenend-Hotel hier heraußen zu enden, das Conrad von einem Kameraden empfohlen worden war (mit Recht, wie sich zeigte), und darin lag wohl ein Grund, weshalb das Paar gerade diese Gegend für Sonntag wählte, auch abgesehen von den hügeligen Reizen, welche die Landschaft hier knapp vor der Stadt darbot. Man konnte in jenem Hause – es lag vereinzelt, nahe bei einem großen Vororte-Bahnhof – von der damit verbundenen gemütlichen Gaststätte aus unauffällig nach rückwärts in die Stockwerke mit den Zimmern gelangen, die, seltsam altmodisch eingerichtet, nicht ohne Behagen waren. So gab es, trotz des selbstverständlich vorhandenen elektrischen Lichtes, riesengroße, aus Holz gedrechselte Kerzenleuchter in jedem Raume und lustige, mächtig geschweifte und geschnörkelte Sitzmöbel. Die Wasch-Schüsseln waren dahingegen klein, wie für Puppen. Es roch ein wenig nach besonntem Holz und nach Tapeten und im ganzen so, als befände man sich im Innern von alten Buchdeckeln,
    Conrad und Ida gingen an einer Parkmauer entlang, deren Moosbelag da und dort im Schein von Straßenlaternen mit sanftem Grün aufleuchtete, und diesmal betraten sie durch einen Seiteneingang das Haus, ohne erst in der kleinen Wirtschaft sich aufzuhalten. Sie stiegen die Treppen hinauf, gefolgt von dem Zimmermädchen; auf der Stiege und in den Gängen hier lag ein Läufer von Rips in der gleichen Farbe wie im Castiletzschen Vorzimmer.
    Ida schaltete das Licht aus. – Sie standen in der Nähe des Fensters, durch welches der schwache, entfernte Nebelglanz von den Bogenlampen über den gedehnten Gleisen des Bahnhofes hereinfiel, wie ein künstliches, noch kälteres Mondlicht. Ein ferner Pfiff schien hievon nur ein Teil zu sein. Er streifte die Achselträger ihres Hemdes herab. Ihre Augen glänzten im Dunkel durch eine Sekunde zu ihm auf, dann verbarg sie das Gesicht an seiner bloßen Schulter, deren antikische Form in dem blassen Lichte hervortrat.
    Unter seinen meist nur eigensüchtigen, dabei aber recht klugvorsichtigen Zärtlichkeiten hielt sie stille und küßte ihn von Zeit zu Zeit. Einmal fand er ihr Gesicht heiß und naß. Weshalb sie weine, fragte Conrad. »Weil ich dich lieb habe«, erwiderte sie. Er schwieg, lag eine Weile still im Dunkel. Dann tat er wie früher.
    Lehnders Kritik blieb nicht aus, sie wurde lebhafter. Er schien zu befürchten, daß diese Sache sich bei Conrad festsetzte, er schien das zu mißbilligen. »Solche Dinge müssen vorübergehend sein. Du kommst früher oder später sonst in eine unmögliche Lage und wirst für ein Kind verantwortlich gemacht, das natürlich nicht von dir ist. Kenne das. Die weiß doch genau, wer du bist, du sagtest doch, sie hätte es am ersten Abend damals schon gewußt. Naturgemäß. In dem kleinen Ort.«
    Er sagte auch: »Wenn jemand so frühzeitig diese Art von Unordnung in sein Leben kriegt, ist das denkbar schlecht. Hängt einem dauernd an und verlegt einem den Weg.«
    Und später einmal: »Derartige Dinge müssen vorübergehend sein. Schreib ihr doch einige nette Zeilen: man sei dir auf die ganze Geschichte draufgekommen, du habest unvorsichtigerweise einen Brief liegen lassen, und du dürftest nun nicht mehr ausgehen.«
    Conrad erwachte des

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