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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
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des alten Castiletz Vertrauen. »Nun, ganz gut«, sagte er. »Jedoch im Grunde völlig uninteressant.«
    Conrad war im Grunde anderer Meinung, wenn er auch zustimmend antwortete auf Lehnders Anschauungsweise. In aller Stille blieb Kokosch indessen seit der Geschichte mit Ida auf einen kalten Guß von Alberts Seite immer gefaßt. Dieser hatte – seinerseits in aller Stille – Frau Anny vor Jahr und Tag schon hinter sich gebracht.
    12
    Eines Abends sagte sie:
    »Was meinst du, Conrad, mit wem ich morgen ein Rendezvous habe?«
    »Woher soll ich denn das wissen?« sagte er und streichelte weiter ihren bloßen Arm, wie bisher.
    Seine Gleichgültigkeit war zu echt, um nicht befremdend, ja beleidigend zu wirken. Fehlt die Eifersucht bedenklicherweise, so gehört die schamlose Entblößung dieses Mangels ja nicht gerade zum guten Ton unter Liebesleuten. Die zweite Kugel, welche Frau Anny im Laufe hatte, wurde daher früher abgeschossen als eigentlich gewollt war, denn hinter ihr machte ein ärgerlicher Affekt den Schlagbolzen.
    »Mit deinem Papa«, sagte sie.
    »Pfundig«, antwortete er und küßte sie in die Achsel.
    Einen Augenblick hindurch fühlte sie sich geradezu unheimlich berührt und wie vom kalten Zug aus einer offenen Kellertüre. Sie lehnte den Arm an den Körper und schloß so die Achsel. Conrad setzte sich aufrecht. In seinem Gesicht war nun doch eine Veränderung vorgegangen, aber es war nicht jene, um welche es der Frau Hedeleg hätte zu tun sein müssen. Sie empfand das auch sofort. Nein, dies kam von wo ganz anders her.
    Conrad sah schräg vor sich hin, wie in irgendeinen Hohlraum hinein, durch Augenblicke wirklich abwesend, und dann sprach er sehr lebhaft:
    »Du, hör mal, das mußt du mir dann ganz genau schildern, das ist ja großartig, da haben wir eine Unterhaltung.« Jetzt lachte er, unter diesem Titel, sein Gesicht machte gleichsam rasch Toilette. Aus der Kellertür zog es empfindlich auf Frau Anny Hedeleg. Sie hüllte sich deshalb in ihre eigenen moralischen Bedenken, welche ihr wohlgefielen und sie erwärmten.
    »Ach«, sagte sie, »ich hätt’ es ja auch nie getan, mich mit ihm zu verabreden, aber ich habe vor ihm wirklich keine Ruhe mehr. Er will durchaus einmal mit mir Spazierengehen, oder mich im Kaffeehause treffen, da ist ja wohl auch nichts dabei. Immerhin, es ist mir peinlich! Wenn ich an deine Mutter denke! Die würde eine feine Meinung von mir haben. Und doch geschieht ja durchaus nichts, was irgendwie . . .«
    »Warum auch nicht«, sagte er.
    »Du, hör mal –?« fuhr’s bei ihr heraus.
    »Trefft euch im ›Belstler‹«, sagte er, »des Humors halber.«
    Am nächsten Tage kaufte Conrad ein blaues Heft in Quarto. Die auftauchenden Schwierigkeiten, nämlich hinsichtlich der sicheren Aufbewahrung einer solchen Art von Niederschrift, wie sie hier bevorstand, lösten sich diesmal überraschend leicht und im selben Augenblicke, als er daheim das Zimmer betrat: denn hinter dem Kasten sah der flache, gelbe Lederkoffer, mit welchem er einst gereist, ein wenig hervor. Die Schlösser waren schön und fest gearbeitet und nur mit dem vielgestuften Barte der zugehörigen Schlüssel aufzusperren. Es war ein teures Stück. Lorenz Castiletz hatte sein Söhnchen damals neu und aufs beste ausgestattet. Conrad lauschte, draußen blieb es still, niemand schien zu Hause. Er klappte den Deckel auf, eine abgeschlossene, saubere, jungfräulich-sterile Luft schlug heraus und erinnerte ihn durch Augenblicke an das Empfangszimmer mit der Glastüre gegenüber dem Eingange, dessen Möbel stets unter Überzügen von Leinen steckten.
    In dem Koffer lag eine Bilderkarte.
    Es war jene, welche Ligharts ihm einst geschrieben. Er meinte sie durch Jahre nicht mehr gesehen zu haben und konnte sich nicht darauf besinnen, wann er sie hier hereingelegt hatte. Der weiße Pierrot oder Harlekin lächelte wie einst unter seiner hohen spitzen Mütze und schien Günther ein wenig ähnlich.
    Conrad sah durchs Fenster hinaus auf die grauen Häuser jenseits des Kanales. Dann legte er das leere Heft zu der Karte in den Koffer, sperrte aber bereits jetzt beide Schlösser ab und bewahrte die Schlüssel in einem Seitenfach seiner Geldbörse auf, welches durch einen Druckknopf verschließbar und bisher nie von ihm benützt war. –
    Frau Hedeleg erzählte, Conrad hörte angestrengt zu, faßte unter Punkten einprägsam zusammen, und wenn sie Pausen machte und sich wiederholte, haspelte er innerlich rasch seine Punkte ab, um sie im

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