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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
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aus und sperre ab.«
    »Und morgen –?« fragte er.
    »Kennen Sie das Café Belstler? Ja? Wollen Sie dort nach dem Büro auf mich warten?«
    »Ja«, sagte er, drückte und küßte ihre Hand und ging.
    Am nächsten Tage blieben sie allerdings nicht lange bei ›Belstler‹ sitzen. Jedoch Hand in Hand; und in kurzen Abständen drückten diese Hände einander heftig. Ein richtiges Liebespaar. Um sieben Uhr ging sie voraus, in ihre Wohnung. Um acht Uhr hatte ihr Gatte, wie jeden Abend, seinen Dienst im Elektrizitätswerk anzutreten. Um acht Uhr fünfzehn traf, genau und ordentlich, Conrad ein, als die Uhr schlug. Auch sonst hatte er sich an Frau Hedelegs Vorschriften gehalten; er war an einer bestimmten Türe, wo angeblich die ärgste Klatschbase des Hauses wohnte, rasch vorbeigehuscht, vorschauend, ob diese Türe geschlossen sei, und darauf achtend, ob niemand auf die Stiege heraus spähe. Und wenn ihm auf dem dritten Stockwerk, wo Frau Anny wohnte, irgend jemand begegnet wäre, dann hätte Conrad seinen Aufstieg bedächtig fortgesetzt, ins vierte, ins fünfte Stockwerk, als strebe er einem höher gelegenen Ziele entgegen, nicht aber zum verabredeten Einschlupf bei Frau Anny Hedeleg. Indessen ging alles gut.
    Als Conrad in die bezeichnete Straße einbog, sah er jetzt, durch eine Seitengasse blickend, daß er sich gar nicht weit von dem Punkte befand, wo er einst über die Weinschläuche gestiegen war. Merkwürdigerweise verlieh ihm dieser Umstand ein deutliches Gefühl der Beruhigung und Sicherheit. Er durchschritt den breiten Torbogen eines weitläufigen Mietshauses mit leeren Höfen und mehreren Stiegen, fand links die dritte, und während er nun, ohne einer Menschenseele zu begegnen, mäßig rasch und fast geräuschlos hinaufstieg – seine Empfindung war jedoch, in etwas hineinzusteigen, wie in einen Eisenbahnzug etwa, der dann auf den bereitliegenden Schienen fahren würde – während des Emporsteigens überrieselte es ihn mit jener Art von Gänsehaut, die man beim Niederducken bekommt, wenn es in der Badewanne zu heiß ist. Es war hier vollkommen still, von irgendwoher nur erklang schwach das Geräusch eines unter der Leitung sich füllenden Eimers, erst heller und trommelnd, dann weich und plätschernd beruhigt. Als er den zweiten Stock überschritt, schwand der Ton aus seinem Ohre.
    Hier stand Nummer 18 über der Tür; und wie vor seinem Blick allein schon weichend und öffnend, drehte sich der Flügel ein wenig nach inwärts, entstand ein Spalt, ein helles Gesicht lächelte aus dem Dunkel, er hörte bereits das Schloß in seinem Rücken leise und klingend einschnappen, während von vorne eine außerordentliche Weichheit und Wärme ihn geradezu überfuhr, aus welcher alsbald von seinem Körper vernommene Trompetentöne des Reizes sich erhoben. Sie hatte sich verändert, ihn erwartend. Er spürte, wie das dünne Gewebe auf ihrer Haut glitt. Nun traten sie aus dem dunklen Vorraum in ein erleuchtetes Zimmer, und er sah, daß sie eine Art Kimono oder Schlafrock trug.
    Schon schüttelte ihn der hier zuständige Gott so gewaltig, als hielte die kleine rosige Faust des himmlischen Bogenschützen den Conrad Castiletz beim Genicke gepackt, und als beutle er ihm die Kleider vom Leibe, beinahe so rasch, wie einst Apollon den Patroklos in der Schlacht seiner Rüstung beraubte, durch einen Schlag mit der flachen Hand zwischen die Schulterblätter. Conrad taumelte, erblickte etwas wie ein weit sich zurücklehnendes rotes Ruhelager, und jetzt verlor er das Gleichgewicht und fiel darauf hin. Vielleicht »sah er gut aus« dabei, um mit Albert Lehnder zu reden, jedenfalls war Frau Anny, deren Augenlider ein starrer Funke spreizte, schon bei ihm, es gab Arme, Schultern, viel weiße Haut und wenig sehr gespanntes Hemd, aus dem unter Conrads verwildertem Griff die Brüste sprangen, wie eine Explosion dicht vor seiner Nase.
    Es ging alles gut. Das neue Schubfach paßte in die Kommode des Conrad Castiletzschen Lebens. Es schloß sich glatt und öffnete sich, wenn man dessen bedurfte. Nie aber unerwünscht. Frau Anny hatte Verhinderungen und Verwandte (allerhand Tanten?) und auch Conrad konnte nicht allzu oft abends von daheim wegbleiben. Sie aber pflegte still und vergnügt zu sein, bis er wieder einmal kommen wollte und ihr das sagte (nach Büroschluß). Das ›Café Belstler‹ ließen sie belsteln, nun ging’s direkt: acht Uhr fünfzehn.
    Lehnder hatte nichts einzuwenden. Frau Hedeleg war ihm bekannt, seit zehn Jahren genoß sie

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