Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
Fälle gegeben, wo selbst ein Gehenkter am Galgen wieder zu sich gekommen war. In längst vergangenen Zeiten, heißt das. Heutzutage gehen wir selbstverständlich wissenschaftlicher zu Werke, was die Exekution unserer Verbrecher betrifft.
»Ich denke, wir werden im Verlauf der weiteren Untersuchung feststellen, dass das Zungenbein gebrochen ist, möglicherweise auch der Kehlkopf. Es müsste innere Schwellungen geben. Was meine erste Diagnose bestätigen würde.«
»Er ist mit der Absicht zu töten losgezogen«, murmelte ich mehr zu mir selbst als zu Carmichael. »Und er hatte sein Werkzeug dabei.«
Andererseits hatte Daisy Smith gesagt, es seien die Hände gewesen, die das Flussphantom um ihren Hals gelegt hatte. Sie hatte in ihrer ganzen Geschichte nicht ein Wort von einer Schnur erwähnt. Und Daisy war ihm entkommen. Vielleicht hatte er nicht gewollt, dass die nächste Frau ebenfalls eine Chance zur Flucht erhielt. Vielleicht hatte er dieses Mal die Schnur bereitgehalten.
»Er kam über diese Frau, die sich im Nebel verlaufen hatte und ganz allein und verängstigt war«, sinnierte ich weiter. »Hat er ihr gar Hilfe angeboten? Sich erboten, sie zu führen? Und sie auf diese Weise in den Park gelockt?«
»Meine Expertise ist die ärztliche Untersuchung von Leichen, Inspector. Ich überlasse die Aufklärung von Verbrechen gerne Ihnen«, erwiderte Carmichael.
»Können Sie mir dann vielleicht verraten, wie lange die junge Frau Ihrer Meinung nach bereits tot ist? Den Zeitpunkt des Todes?« Das war wichtig. Ein Park ist ein öffentlicher Ort, auch wenn der Nebel an jenem Nachmittag mit großer Wahrscheinlichkeit sämtliche Besucher vertrieben hatte.
Carmichael spitzte die Lippen. »Das ist keine exakte Wissenschaft, Inspector, wie Sie sicher wissen. Ich wurde informiert, dass man die Tote am frühen Sonntagmorgen gefunden hat. Ich würde sagen, sie starb am späten Nachmittag oder am frühen Abend des Vortages. Sagen wir, zwischen vier und sechs Uhr am Samstagnachmittag.«
Damit lag der Zeitpunkt des Todes ohne Zweifel in der Zeitspanne, in der der Nebel am dichtesten gewesen war.
»Ich hätte nur noch eine Frage, Doktor«, sagte ich. »Waren Sie zugegen, als Mr. Benedict die Leiche seiner Frau sah?«
Carmichael hatte sich bereits einem Tablett mit Instrumenten zugewandt. »Nein. Aber Scully war dabei.«
Also musste ich erneut mit Scully reden. Ich kehrte in das Vorzimmer zurück.
»O ja, Inspector Ross, Sir. Ich erinnere mich sehr genau an Mr. Benedict. Ich habe den Gentleman zu der Toten begleitet.« Scully grinste unangenehm und rieb sich dabei die Hände.
Ich spürte, wie meine Nerven zuckten. Es gibt einen Ausdruck, »einen Schauer über den Rücken jagen«, und genau diese Wirkung hatte Scully jedes Mal auf mich. Wie konnte Carmichael nur jeden Tag mit diesem elenden Kerl zusammenarbeiten? Wahrscheinlich war er viel zu sehr mit seinen Obduktionen beschäftigt.
»Ich hoffe, Sie hatten nicht dieses elende Sprühzeug laufen, als Sie ihn hineingebracht haben?«, entfuhr es mir unwillkürlich.
»Nein, Sir. Ich hatte die Lady ordentlich hingelegt und mit einem Laken bedeckt, bis auf das Gesicht. Ich wollte es nicht schlimmer für ihn machen als unbedingt nötig.« Scully hatte sein zombieartiges Grinsen gegen einen angemessen ernsten Gesichtsausdruck ausgetauscht.
»Schlimmer als unbedingt nötig …? Gütiger Himmel, Sie haben ihm den Leichnam seiner Frau gezeigt?«, rief ich entsetzt.
»O ja, selbstverständlich. Und ich wollte ihm zeigen, dass wir die Tote respektvoll behandeln«, antwortete Scully in gekränktem Ton. Ich hatte seine berufliche Kompetenz infrage gestellt.
»Gut, schön, in Ordnung – aber es war schlimm für ihn, richtig? Wie ich gehört habe, soll er zusammengebrochen sein.«
»Er wurde ohnmächtig, das ist richtig«, antwortete Scully schulterzuckend. »Einfach so, ohne Vorwarnung. Er fiel um wie vom Blitz getroffen. Ich hab ihn mit Riechsalz wieder zu sich gebracht. Ich habe immer eine kleine Flasche auf Vorrat, wissen Sie? Es war nicht das erste Mal, dass ein Anverwandter ohnmächtig wurde, aber in der Regel sind es die Frauen. Ich wecke sie aus ihrer Ohnmacht auf und sage ein paar tröstende Worte zu ihnen.« Er lächelte mich schüchtern an.
Ich musste mich erneut zusammenreißen, um mir nicht anmerken zu lassen, wie abstoßend ich diesen Burschen fand. »In welchem Zustand war er, als er wieder zu sich kam?«, fragte ich.
»Er war durcheinander, würde ich sagen. Wie
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