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Ein nackter Arsch

Ein nackter Arsch

Titel: Ein nackter Arsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Bauer
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gleich einen Job im Sekretariat von Alfons Schmidtbauer bekommen. Mit Englisch, Französisch und Spanisch war sie wohl eine Idealbesetzung für die Firma.“
    „Und da hat Gesine wann gekündigt?“, fragte Fabio Trulli.
    „Vor gut zwei Jahren. Und danach hat sie das erste Mal versucht sich umzubringen“, antwortete Erna Mollet.
    „Und hat sich anschließend eine Therapeutin gesucht. Mhhh. Haben Sie den Namen der Psychologin?“
    „Simone Richter. Gesine erzählte was von einer Praxis direkt am Beethovenplatz. Sie hat mal eine Visitenkarte hier liegen lassen… – Ah ja, hier ist sie. Simone Richter, Beethovenplatz 9, Psychotherapie und Psychoanalyse.“
    „Kann ich die haben?“, fragte der Kommissar.
    „Ich habe keine Verwendung dafür“, war die Antwort und der Kommissar notierte im virtuellen Terminkalender seines Gedächtnisses für Montag einen Praxisbesuch.

    „Um zwölf gebbt gess“, bemerkte Trulli beim Blick auf die Uhr, als er mit Simarek wieder im Auto saß und die Moltkestraße Richtung Autobahn verließ. Die Digitaluhr des alten Peugeot 309 zeigte genau 12:00 Uhr. Simarek wunderte sich nicht über die korrekte Verwendung saarländischer Grammatik durch seinen Assistenten. Er selbst hatte, obwohl er schon seit der Ausbildung in Saarbrücken lebte, und das waren jetzt bald zwanzig Jahre, die Versuche aufgegeben, Dialekt zu sprechen. Aus seinem Munde klang das aufgesetzt und peinlich. Außerdem hatte er nie verstanden, wann der Saarbrücker das Verb „genn“ im Sinne von werden und wann er „werre“ benutzt. Und vor allem, warum die in Saarlouis oder in Mettlach das wiederum anders handhaben. Aus Trullis Mund klang die Wendung „gebbt gess“ natürlich auch ein wenig seltsam. Aber das war ein anderes Thema, und der Kommissar verkniff sich einen Kommentar.
    Es war also bereits zwölf, und bei Familie Trulli in Burbach standen jetzt wohl schon die Tintenfische auf dem Tisch. Aber Mama Trulli kochte für gewöhnlich so üppig, dass es für eine ganze Fußballmannschaft reichte. Fabio würde also ganz sicher noch etwas abbekommen, weshalb sich das Mitleid des Kommissars in Grenzen hielt.
    „Irgendwie seltsam“, brachte Trulli das Gespräch wieder auf den Fall zurück.
    „Die Sache mit ASP in Forbach? Dass Gesine dort gearbeitet hat?“, fragte Simarek zurück.
    „No, no, das ist auch eine überraschende Verbindung, aber so was kommt vor.“
    Simarek wusste, was Fabio meinte. Im Zuge von Ermittlungen kamen oft die seltsamsten Verbindungen ans Licht. Oft waren sie zufällig, manchmal aber auch von Bedeutung und der Schlüssel zur Lösung eines Falles. Wie die Sache hier lag, müsste sich noch zeigen.
    „Ich frage mich nur, was haben die Eltern falsch gemacht? Die wirkten doch tutto normale. Geradezu spießig. Aber absolut nett. Wieso wird die Tochter dann so unglücklich?“
    „Die haben nichts falsch gemacht. Jedenfalls nicht mehr als andere Eltern. Manchmal laufen die Dinge eben so, wie sie laufen. Da kommt viel zusammen. Das Zuhause natürlich, aber auch die Freunde, die Schule, was weiß ich. Und diese Melancholie ist, glaube ich, sogar angeboren. Kannste nichts machen.“
    Simarek dachte an seine eigene Kindheit. Auch seine Mutter war sehr melancholisch gewesen. Er erinnerte sich daran, dass sie oft tagelang kaum Interesse für die Außenwelt gezeigt hatte und seltsam verletzt wirkte, ohne dass er sich diesen Zustand erklären konnte. Heute wusste der Kommissar, dass die Medizin des 20. Jahrhunderts das Wort Melancholie durch Depression ersetzt hatte. Er wusste nicht warum, aber Melancholie gefiel ihm irgendwie besser. Es klang menschlicher.
    „Aber diese Verbindung zwischen Gesine Mollet und Schmidtbauer ist auffällig. Da werde ich morgen in Forbach einiges zu fragen haben.“ Der Magen des Kommissars knurrte vernehmlich.
    „Hunger?“, fragte Fabio.
    „Hunger!“, antwortete Simarek.
    „Komm zu Tisch, kriegst du Fisch“, reimte Trulli.
    Das war ohne Zweifel als Einladung gedacht. Und bei dem Gedanken an Mama Trullis Kochkünste lief Robert Simarek das Wasser im Munde zusammen. Er mochte die Familie von Fabio, das fröhliche, vielstimmige Geplapper beim Essen. Er wusste, dass er bei den Trullis immer willkommen war und nahm die Einladung gerne an. Ein Mittagessen im Kreise der italienischen Familie würde seine Stimmung erheblich aufhellen.
    „Los, halt drauf“, wies er seinen Assistenten an. Fast bereute es der Kommissar, seinem Assistenten das Steuer überlassen zu haben.

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