Ein nackter Arsch
das fragen.“
„Schon klar…“, antwortete die Therapeutin. „Aber Gesine war nicht an Schmidtbauers Geld interessiert. Und Liebe war wohl etwas, das Gesine für sich gar nicht erwartete. So seltsam es klingt. Dass sie sich auf Schmidtbauer eingelassen hat, war so etwas wie ihr Versuch, einen Teil der Welt zu retten.“
„Seltsam, was bringt eine junge Frau auf solch absonderliche Ideen?“ Der Kommissar kratzte schon wieder an seinem Handrücken.
„Sie vergessen, dass Gesine schon ein bisschen anders war. Sonst wäre sie nicht bei mir gewesen. Jedenfalls hat sich Gesine auf ein Verhältnis eingelassen, das ihr nach und nach das Leben zur Hölle machte, als Schmidtbauer seine Maske langsam fallen ließ.“
„Was ist passiert?“
„Schmidtbauer wollte besitzen. Und er war es wohl gewohnt, sich zu nehmen, was er wollte. Jedenfalls beschnitt er Gesine jeglichen Freiraum und kontrollierte sie auch in ihrer Freizeit.“
„Hatte er denn ein Druckmittel gegen Gesine?“
„Nichts mit Substanz, würden jedenfalls wir finden. Er hat mit untrüglichem Machtinstinkt ihr Wesen geschickt ausgenutzt. Er hat sie sich nach und nach immer gefügiger gemacht. Man könnte sagen, er hat sie sich unterworfen. Und ihre psychische Disposition korrespondierte ideal mit seiner dominanten Aktivität.“
„Hat er sie auch sexuell missbraucht?“
„Das ist leider alles nicht justiziabel gewesen, weil Schmidtbauer immer hätte behaupten können, alles sei mit Gesines Einverständnis geschehen, und schließlich sei sie weit über achtzehn gewesen. Aber natürlich haben sich die Macht- und Kontrollfantasien von Alfons Schmidtbauer auch im Schlafzimmer Bahn gebrochen und nicht nur da. Gesine hat eine ganze Reihe von demütigenden sexuellen Praktiken kennengelernt.“
„Na ja, aber Sex hat doch immer auch mit Macht und Machtspielchen zu tun?“
„Glauben Sie mir, Herr Kommissar, das war weit über der Grenze dessen, was in der BDSM-Szene noch als ‚Spielchen‘ bezeichnet wird. Das war menschenverachtend. Und Sie werden verstehen, dass ich nicht ins Detail gehen kann.“
„Für meine Belange genügt diese Information“, sagte Simarek und musste schlucken.
„Jedenfalls hat Gesine in ihrer Not nicht einfach einen Schlussstrich gezogen wie vielleicht eine andere Frau in ihrer Situation, sondern sie hat lange still erduldet. Bis sie dann vor zwei Jahren keinen Ausweg mehr sah und zum ersten Mal versucht hat, sich das Leben zu nehmen.“
„Und danach kam sie zu Ihnen?“
„Im Krankenhaus legte man ihr dringend eine Therapie nahe, ja. Gleichzeitig kündigte sie bei ASP .“
„Dort konnte sie sich ja ohnehin niemandem anvertrauen“, murmelte Simarek, der sich an das Gespräch mit den Mitarbeitern von Schmidtbauer erinnerte. „Weil das ja in der Firma unter der Decke gehalten werden musste. Und auch wenn es jemand gemerkt hat, wird er Gesine Mollet nicht darauf angesprochen haben.“
„Ein Mitarbeiter hat das wohl mal versucht.“
Simarek stutzte. „Wissen Sie, wer?“
Simone Richter kramte in einem Zettelkasten. „Mmh, sie hat ihn nur beim Vornamen genannt. Und ich habe das auch nur notiert, weil ich da in einer der nächsten Sitzungen noch mal nachhaken wollte. Er hieß Wolfgang.“
Als Simarek Simone Richter verließ, war er getrübter Stimmung. Und auch die Therapeutin schien mitgenommen. Beim Abschied lag eine gewisse Schwere im Raum. Fast hätte der Kommissar die Frau zum Abschied umarmen wollen. Den Impuls konnte er aber kontrollieren. Simone Richter hatte ihm noch erzählt, dass Schmidtbauer Gesine auch nach der Kündigung nie in Ruhe gelassen und sie mit Anrufen und Drohungen verfolgt habe. Aber sie habe Gesine nicht überzeugen können, ihn wegen Stalkings anzuzeigen. Simarek wusste, wie aussichtslos solche Anzeigen in der Regel waren. Fast konnte er Gesine verstehen.
Zurück ins Kommissariat wollte er jetzt auf keinen Fall. Er rief Fabio Trulli an und verabredete sich mit ihm zur Lagebesprechung am nächsten Morgen. Dann würden sie gemeinsam die nächsten Schritte überlegen. Simarek ahnte, dass er zwar noch nicht dem Mörder – oder der Mörderin? –, wohl aber einem möglichen Motiv auf der Spur war. Und dann war da noch der Mitarbeiter, der versucht hatte, Gesine auf ihre Situation hin anzusprechen. Der Kommissar machte sich einen Knoten in sein virtuelles Taschentuch. Er hatte einige Fragen, die er Wolfgang Bergmann stellen wollte.
„Du siehst müde aus.“ Biggi stellte dem Kommissar ein
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