Ein nackter Arsch
rund zehn Journalisten den Konferenzraum im Kommissariat ohne nennenswerte Informationen, aber dennoch größtenteils mit einem guten Gefühl verlassen hatten, das war schon eine Leistung, für die Simarek Duchene Respekt zollte. Duchene konnte reden, den Rest überließ er Simarek und Trulli, eine Arbeitsteilung, mit der alle Beteiligten genau genommen doch sehr zufrieden sein konnten. Das jedenfalls dachte der Kommissar, als er mit Fabio das Kommissariat verließ, um Gesine Mollet in Saarlouis das letzte Geleit zu geben.
Als der Peugeot auf dem Parkplatz vorfuhr, läuteten schon die Glocken der kleinen Friedhofskapelle des Hauptfriedhofs. Die Sonne schien sanft, und es versprach ein schöner Herbsttag zu bleiben. Simarek empfand das als versöhnliches Angebot der Natur. Die Beerdigung von Alfons Schmidtbauer auf dem Saarbrücker Hauptfriedhof würde am Montag folgen. Auch dort wollte Simarek mit Fabio Trulli hingehen. Er fühlte gegenüber den Toten, mit denen er über den Dienstweg in Kontakt kam, eine innere Verpflichtung, den Weg zum Grab mitzugehen. Außerdem ließen sich auf Friedhöfen, so die Fälle noch nicht gelöst waren, zuweilen wertvolle Informationen sammeln.
Die kleine Kapelle war voll, so voll, dass die Türen offen geblieben waren und ein Teil der Trauergemeinde außerhalb der Halle stand. Das wunderte Simarek. Er hatte nicht erwartet, dass Gesine Mollet so viele Menschen gekannt hatte. Aber oft schon hatte er die gewachsenen dörflichen Strukturen unterschätzt, und ein Blick auf das Publikum verriet ihm schnell, dass die meisten wohl eher wegen Gesines Eltern gekommen waren, um diesen den Abschied zu erleichtern. Solidarität war in solchen Situationen wichtig. Das wusste der Kommissar. Und Solidarität wurde an der Saar großgeschrieben. Auch das hatte ihm Land und Leute schon ganz zu Anfang sehr sympathisch gemacht. Wolfgang Bergmann war auch da, zusammen mit seiner Frau. Als er Simarek erblickte, winkte er ihm kurz zu. Er wirkte ernst, so als hätten die letzten Tage etwas in ihm ausgelöst, was noch der Verarbeitung bedurfte. Simarek hatte Studien darüber gelesen, welche inneren Prozesse bei unschuldig unter Verdacht Geratenen abliefen. Er hatte nie an eine Schuld von Wolfgang Bergmann geglaubt, ihm aber dennoch die letzten Tage nicht ersparen können. Doch Simarek war sich sicher, dass Bergmann bei Frau und Familie den nötigen Rückhalt fand.
Auch Emilie Schrader war da. Sie kam kurz auf Simarek zu, drückte ihm die Hand und sagte „Danke“. Wofür sie sich bedankte, war dem Kommissar nicht ganz klar. Aber er war taktvoll genug, nicht nachzufragen. Irgendwie spürte er, dass die Verhaftung von Wolfgang Bergmann auch an ihr nicht spurlos vorübergegangen war und dass sie für Bergmann vermutlich immer noch mehr empfand als nur Freundschaft. Simarek reagierte natürlich auch emotional auf die Menschen, mit denen er es im Laufe seiner Ermittlungen zu tun bekam. Und Emilie Schrader würde er so schnell nicht vergessen.
Simarek schaute sich weiter unter den Trauergästen um, während in der Halle die Pfarrerin davon sprach, dass der Tod nicht das letzte Wort habe, auch wenn speziell dieser Tod ratlos mache. „Ratlos, aber nicht trostlos“, sagte sie und versuchte mit ihrer warmen, einfühlsamen Stimme die Zuhörenden zu erreichen. Und dann sah Simarek Simone Richter. Auch sie war ganz in Schwarz gekleidet, mit einem Hut, der die Andeutung eines Schleiers besaß, so dass ihr Gesicht ein wenig verhüllt war. Sie erblickte Simarek und hob kurz die Hand, um zu signalisieren, dass sie ihn bemerkt hatte.
Auch in Schwarz sah Simone Richter ungemein attraktiv aus, und Simarek schämte sich ein bisschen dafür, dass er während einer Beerdigung über die Schönheit einer Frau nachsann. Er verscheuchte den Gedanken wieder und verlor Simone Richter aus den Augen, als die Trauergemeinde zum Grab aufbrach, um den Abschiedsritus zu Ende zu bringen.
Die Eltern hatten darum gebeten, von Beileidsbezeugungen am Grab Abstand zu nehmen, wie es in der Todesanzeige geheißen hatte. Und die meisten Trauergäste hielten sich daran. Nachdem die Pfarrerin Gesines Eltern die Hand gedrückt hatte, zerstreute sich die Gemeinde.
Fabio Trulli war gar nicht mehr mit ans Grab gekommen, weil ihn offene Gruben so deprimierten, wie er sagte. Als auch der Kommissar sich anschickte, den Ort zu verlassen, rief jemand: „Herr Simarek!“.
Es war Erna Mollet, die nun auf ihn zukam.
„Das ist aber schön, dass Sie auch
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