Ein nackter Arsch
besonders schlau, denn die in der evangelischen Nachbargemeinde Aktiven waren zum großen Teil Singles, deren unterschiedliche Lebensentwürfe eine bunte und kontroverse Diskussion versprachen. Simarek erwog sogar, eine der Veranstaltungen zu besuchen. Aber er wusste auch, dass es bei der Idee bleiben würde.
Der Blick auf die Uhr zeigte dem Kommissar, dass er noch eine Dreiviertelstunde Zeit hatte. Eine viertel Stunde davon brauchte er, um seine Wäsche aufzuhängen, die immer noch in der Waschmaschine steckte, weil er am Abend zu faul gewesen war, diese zu leeren. Da die Kleider aus diesem Grunde noch nass waren, blieb ihm nicht viel Auswahl. Die schwarze Cargohose musste für einen weiteren Tag herhalten, dazu ein schwarzes T-Shirt und die schwarze Lederjacke, das würde als Outfit sowohl für die Pressekonferenz als auch die Beerdigung von Gesine Mollet reichen müssen. Nun ja. Farblich war das immerhin passend.
Im Kommissariat herrschte um kurz vor neun die Art gespannter Unruhe, die vor Pressekonferenzen üblich war. Der Polizeichef goss sich gerade einen Schluck Milch in die Tasse mit sichtbar ungenießbarem alten Kaffee, als Simarek in der Tür erschien.
„Darf man fragen, was Sie der versammelten Presse zu bieten haben?“, fragte Duchene und seine Stimme klang leicht angespannt. Simarek musste grinsen. Er ahnte, dass es Duchene überhaupt nicht gefallen hatte, dass mit den Bergmann-Brüdern am Vorabend zwei bisher potentiell Tatverdächtige entlassen worden waren.
„Mein lieber Herr Polizeichef…“ Simarek versuchte ernst zu bleiben. „Ich habe nicht um diese Pressekonferenz gebeten.“
„Mensch Simarek, Sie wissen genau, dass wir ein gutes Verhältnis zur Presse brauchen. Hätten wir die Brüder nicht wenigstens bis heute Mittag behalten können?“
„Das ist nicht Ihr Ernst.“
„Natürlich nicht.“
„Aber es wird Sie trösten, dass wir wissen, wer der Täter ist.“
„Habe ich schon gehört. Ihr Kollege Trulli ist wesentlich auskunftsfreudiger als Sie, mein lieber Herr Oberkommissar.“
Fabio schaute peinlich berührt in Richtung Fußboden, als suchte er dort die Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hatte. Simarek beschloss, Fabio im Laufe des Tages noch mit einer kleinen Gemeinheit zu bedenken, obwohl er wusste, dass der Polizeichef gerne Kommissar und Assistenten gegeneinander ausspielte. Er meinte das gar nicht böse, es war seine Art, andere ein bisschen hochzunehmen.
„Ihr Problem ist nur“, fuhr Duchene fort, „dass Sie nicht wissen, wo der alte Herr abgetaucht ist, den Sie suchen.“
„Ich warte noch auf Nachrichten aus Forbach“, sagte Simarek spitz und ahnte bereits, dass Duchene diese schon hatte.
„Da hätten Sie früher aufstehen müssen, und ich meine das wörtlich. Ihr Kollege Trulli hat mich schon darüber informiert, dass offenbar niemand aus der Nachbarschaft in Hanviller weiß, wo Desgranges sich aufhält. Er galt als Eigenbrötler und wohnt dort erst seit drei Jahren wieder, obwohl das Haus alter Familienbesitz ist. Hin und wieder hat ihn dort wohl eine junge Dame besucht. Eine Nachbarin meinte, das sei seine Tochter gewesen. Aber Desgranges ist nie verheiratet gewesen. Vielleicht war die junge Dame auch ganz was anderes.“ Duchene grinste.
„Wie dem auch sei“, sagte Simarek. „Der Presse können wir leider nichts von Desgranges erzählen. Wir fahnden nach ihm und sollten hier keine schlafenden Hunde wecken. Vielleicht ist er ja gar nicht abgetaucht und geht uns ganz von selbst ins Netz.“
„Und was sagen wir dann der Presse?“ Duchene wirkte nervös.
„Och, sagen Sie doch, wir haben eine heiße Spur. Aber aus ermittlungstechnischen Gründen, blablabla, und so weiter…“
Genau dies berichtete der Polizeichef den Journalisten, er wählte dafür nur andere Worte. Die Reporter von Presse, Funk und Fernsehen waren über die dünne Informationslage alles andere als erfreut, fügten sich aber darein. Dass man zwei Tatverdächtige auf freien Fuß gesetzt hatte, belegte, dass man einer neuen Spur folgte. Und dass diese nach Frankreich führte, hatte Duchene ihnen noch offenbart, um dann um neun Uhr fünfundzwanzig die Pressekonferenz für beendet zu erklären.
„Na, das ist doch super gelaufen“, meinte Simarek, der während der fünfundzwanzig Minuten nicht einen Ton gesagt hatte, sehr zum Missfallen des Polizeichefs. Aber irgendwie musste sich Duchene, so sah es jedenfalls Simarek, seine herausgehobene Stellung ja verdienen. Und dass
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