Ein nasses Grab
alle trocken sein. Wir treffen uns in fünf Minuten vor dem Haus.«
Der Regen hatte tatsächlich aufgehört, doch die Luft war noch immer feucht bis zur Sättigung. Das spärlich vorhandene, trübe Licht schien von der Wasseroberfläche zu schimmern, statt von oben zu kommen. Anfangs herrschte eine trügerische Stille, doch nach einer Weile zerbarst sie in Myriaden leiser Wassergeräusche, es plätscherte, spritzte, tropfte, und der sanfte Nachtwind strich wie feuchter Atem über Dalziels Gesicht.
Wortlos gingen sie einen Weg entlang, der nach Dalziels Gefühl die Hauptzufahrt zum Haus sein musste. Er führte bergab, erreichte aber erst am Tor zur Straße den Wasserspiegel, und das Licht von Bonnies Taschenlampe zeigte, dass das Wasser zwar eine weite Fläche bedeckte, jedoch nicht sehr hoch stand. Sie patschten durch und ließen den See hinter sich. Kurz darauf stieg die Straße an, und sie befanden sich wieder auf trockenem Asphalt.
»Schade, dass die Zufahrt nicht flacher abfällt«, sagte Bonnie. »Es wäre richtig nett gewesen, ganz abgeschnitten zu sein.«
»Wieso das denn?«, fragte Dalziel.
»Ich weiß auch nicht. Isolation. Eine Pause, bevor der Druck von außen sich wieder bemerkbar macht. Es ist ja alles auf einmal zusammengekommen. Geschäftliche Probleme, der ganze Rechtskram, die Vorbereitungen für die Beerdigung.«
»Das kann nicht leicht gewesen sein.«
»War’s auch nicht. Sie haben gehört, wie mein Mann gestorben ist, nicht wahr, Mr. Dalziel?«
Dalziels Berufsinstinkt gab ihm ein, nein zu sagen und es sich von ihr erzählen zu lassen, doch es bereitete ihm keine Schwierigkeiten, sich darüber hinwegzusetzen.
»Ja«, antwortete er. »Furchtbar.«
»Ja. Und es hätte zu keinem schlechteren Zeitpunkt passieren können.«
»Geld?«, erkundigte sich Dalziel.
»Genau.« Einen Moment lang hatte sie einen Tonfall wie Uniff. »Wir haben schon die letzten Reste zusammengekratzt. Conrad – mein Mann – brachte mehr Begeisterung als Sachkenntnis mit, was geschäftliche Dinge anbelangt. Er war zehn Jahre in der Armee – Instandsetzungstruppe, nichts Heroisches – und schied aus mit der Überzeugung, dass seine Abfindung den Grundstock für ein Finanzimperium bilden würde. Nun, ich habe immer fünfzig Prozent auf seine Schätzungen der Kosten für alles und jedes draufgeschlagen, aber ich glaube, er hat das dann schon mit einkalkuliert! Wie dem auch sei, irgendwann waren wir pleite, und die Bauarbeiter kamen nicht mehr. Deshalb hat sich Conrad als Heimwerker versucht.«
»Tragisch«, sagte Dalziel. Er hatte das Gefühl, dass er sich wacker schlug. Einzelne Wörter, hin und wieder ein kurzer, prägnanter Satz, man konnte einen ganz guten Eindruck machen, wenn man seine Zunge im Zaum hielt. Aber wenn man die letzten zwanzig Jahre aus der Übung gekommen war, musste man verdammt aufpassen.
»Ja, tragisch ist vermutlich der richtige Ausdruck. Kurioserweise half die gerichtliche Untersuchung. Dadurch wurde alles offiziell, wir mussten dem Amtsschimmel ein bisschen Zucker geben. Zu guter Letzt waren wir heilfroh, Conrad aus dem Haus zu kriegen. Na, Sie haben ja selbst gesehen, was wir uns haben einfallen lassen. Aber verzeihen Sie. Sie langweilen sich bestimmt zu Tode. Ihr Urlaub ist auch so schon gründlich ins Wasser gefallen, da müssen Sie sich nicht auch noch die Leidensgeschichte anderer Leute anhören!«
»Nein, es interessiert mich«, widersprach Dalziel. »Aber jetzt ist doch sicher alles in Butter oder? Es gibt doch bestimmt irgendeine Versicherung.«
In Yorkshire hatten alle eine Versicherung. Sogar Dalziel hatte eine, obwohl er nicht wusste, wofür, denn es gab nicht einen Menschen auf der Welt, den er besonders gerne als Begünstigten seines Todes gesehen hätte.
»Conrad war kein sehr vorausschauender Mensch«, sagte Bonnie. »Die einzige Versicherung, die er hatte, war der Kreditschutz, auf dem die Finanzierungsgesellschaft bestanden hat, als er das Darlehen aufnahm, um das ganze Projekt zu starten. Natürlich wäre es wunderbar, das Geld ausbezahlt zu bekommen, es ist ganz schön viel, aber die Versicherung hat es damit anscheinend nicht besonders eilig.«
»Ach?«, sagte Dalziel, und der Gebrauch dieser einen Silbe erfüllte ihn mit Stolz.
»Ja. Ich weiß nicht, wo das Problem liegt. Das Ganze ist so klar, klarer geht’s gar nicht mehr, hätte ich gedacht. Aber sie schicken uns diesen Mann. Er stellt eine Menge Fragen. Die Polizei stellt eine Menge
Weitere Kostenlose Bücher