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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manolo Link
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ich zurück kam, grinste der Spanier und stellte den Espresso vor meine Nase.
    Nachdem ich die Bar verlassen hatte, war ich glücklich, die Industriezone hinter mir zu wissen. Der Weg zur Kathedrale zog sich.
    Als ich endlich vor ihr stand, sie mir von außen angesehen, ihr und ihren Baumeistern meinen Respekt gezollt hatte, wanderte ich, den gelben Pfeilen folgend, stadtauswärts. Ich musste an Alice und Nadine denken. Obwohl ich müde war, wollte ich doch nicht in Burgos übernachten. So wanderte ich an der Pilgerherberge, die sich in einem hübschen Park befand, vorbei. Es war mir klar, dass ich nun noch weitere Kilometer zurücklegen musste.
    Außerhalb von Burgos legte ich auf einer Bank eine Rast ein, aß einige Kekse, trank reichlich Wasser und stellte fest, dass es meiner Gefühlswelt wesentlich besser ging. Mit neuen Kräften erhob ich mich. Nach weiteren Kilometern waren meine Beine der Meinung, genug geleistet zu haben. Ich stimmte mit ihnen überein. Dreißig Kilometer lagen schon hinter uns. Ein Blick zum rabenschwarzen Himmel verhieß nichts Gutes. Das sah nach einem neuerlichen Gewitter aus. Trotz Müdigkeit erhöhte ich mein Tempo. Es wurde dunkler, die Vögel verstummten, eine bedrohliche Stille trat ein, wie immer vor Gewittern. Regen setzte ein. Um halb sieben erreichte ich die Herberge von Tardajos.
    Ein ergrauter Herr hieß mich willkommen und nannte mich ein Glückskind, weil ich das letzte Bett bekam. Auf der Treppe zum Schlafsaal kam mir Michael aus dem Schwarzwald entgegen, der seinem Körper an jenem Tag lediglich wenige Kilometer abverlangt hatte, weil er zu der Einsicht gekommen war, viel zu schnell unterwegs gewesen zu sein. Glücklich breitete ich meinen Schlafsack nach dem Duschbad auf meinem Bett aus und gönnte meinem Körper ein paar Minuten Ruhe. Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre eingeschlafen. Die Gewissheit, für den nächsten Tag noch Essbares besorgen zu müssen, hielt meine Augen offen. Ohne es wirklich zu wollen, stand ich nach einer Viertelstunde auf. Bei jedem Schritt spürte ich meine schmerzenden Glieder. Das Gewitter hatte sich verzogen. Ich fragte den Herbergsvater nach einem geöffneten Geschäft in Tardajos. Leichter Regen tröpfelte auf den nassen Asphalt, von dem Dampfschwaden aufstiegen, als ich in meinen Badeschlappen das Geschäft erreichte, um kurz vor Schließung noch das Nötigste einzukaufen.
    Nach einigen Telefongesprächen und einem Pilgermenü legte ich mich ins Bett und dachte an die vergangene Etappe, die nach 35 Kilometern ihr Ende gefunden hatte. Während ich den Reißverschluss des Schlafsacks schloss, stellte ich beim Blick auf den Fußboden fest, dass sich dieser in einer auffälligen Entfernung befand. Das Bett war ungewöhnlich hoch und die Matratze nicht sonderlich breit. Wenn ich aus dieser Höhe auf den Boden fiele ... Ich verwarf den Gedanken schnell wieder. Sicherheitshalber umfasste ich mit einer Hand einen der Eisenstäbe, die sich am Kopfende befanden.
    Nach einer ruhigen Nacht lag ich immer noch im Bett und nicht auf dem Fußboden. Ich schmunzelte. Es war früh und noch dunkel. Der Herbergsvater hatte Kaffee und Tee in Kannen sowie Brot, Marmelade und Kekse bereitgestellt. Auf dem Frühstückstisch stand eine große Büchse mit der Aufschrift »Spende«. Es blieb jedem selbst überlassen, was und wie viel er bereit war zu geben. Ein Pilger fragte mich, was man denn so gibt? »Möglichst viel«, antwortete ich ihm. »Wer wenig hat, soll wenig geben. Derjenige, der mehr hat, kann mehr geben.«
    Bevor ich mich auf den Weg machte, löste ich meine Wäsche von der Leine und befestigte sie am Rucksack, damit sie unterwegs trocknen konnte. Kurz vor sieben zog ich alleine in einen neuen Tag. Die ersten Schritte fielen schwer, meine Beine fühlten sich steif an. Einige hundert Meter brauchte mein Körper, um sich wieder an das Gehen zu gewöhnen.
    Es dauerte nicht lange, bis Michael an meiner Seite war. Auf einem Feldweg erwartete uns eine unliebsame Überraschung. Der Boden war nass und klebte schwer an unseren Wanderschuhen. Bei jedem Schritt versuchte ich die Erde abzustreifen, was nicht wirklich gelang. Hinter einer Kehre erblickten wir einen Kleinbus, der im Schlamm stecken geblieben war.
    »Das gönne ich denen«, sagte Michael voller Schadenfreude, weil er Touristen in dem Bus vermutete, welche abends Herbergen aufsuchten, um preiswert übernachten zu können, und damit den Pilgern die Betten wegnahmen. Wahrlich, es gab

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