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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manolo Link
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sein. Wenn es der richtige Ort für mich gewesen wäre, hätte ich ein Bett bekommen. Und wenn für mich in einer anderen Herberge ein Bett vorgesehen war, so würde ich das gerne annehmen. Busfahren kam nicht in Frage, ich hatte beschlossen zu gehen. Ein deutscher Pilger fragte mich, wo ich heute noch hinwolle. »Immer weiter Richtung Westen«, antwortete ich. Wir lachten.
    Meine Enttäuschung, kein Bett bekommen zu haben, war schnell verschwunden und hatte sich in Vertrauen verwandelt. Ein Vertrauen, das sich gut anfühlte. Mit Vertrauen durchs Leben zu gehen, ist wunderbar. Ich brauche keine Angst zu haben, etwas nicht oder zuwenig zu erhalten. Der Camino hatte mich bereits gelehrt, dass, wenn etwas in meinem Leben nicht so eintraf, wie ich es mir vorgestellt hatte, es im Endeffekt zu meinem Besten war. Es war nicht viel Zeit vergangen, seit ich mich müde gefühlt hatte, doch nun waren neue Kräfte in mir. Ein wenig mehr, als ich annahm, war meistens möglich, wurde zu einem meiner Leitsätze. Ein paar Kilometer gingen immer noch.
    Vor meinen Augen breitete sich eine Weide aus, auf der eine Kuhherde friedlich graste. Die Weide war von einem Zaun eingegrenzt. An einem Holztor klebte eine Nachricht, die witterungsgeschützt in einem Plastikbeutel verpackt war. Mein Herz schlug höher. »Eine weitere Botschaft für mich?« Ich musste an die Bibelseiten denken und las: »Für Mano aus Bad Neuenahr.« Freudig erregt nahm ich die Post und stellte fest, dass sie von Nadine war. Sie wünschte mir ein freudiges Ankommen in Santiago, äußerte den Wunsch, eine Karte von mir zu erhalten und hatte ihre Adresse aufgeschrieben. Meine Freude war unbeschreiblich. Die Nachricht war ein Beweis dafür, dass ich keine Wünsche und Erwartungen haben musste. Wegen der Adresse brauchte ich nicht nachzufragen. Nun hatte ich sie.
    Auf der Weide thronten zwei riesige Eichen, die Kraft und Ausdauer ausstrahlten. Ein meterhohes Holzkreuz verlieh dem Ort etwas Mystisches. In der Ferne erblickte ich tiefschwarze Wolken und sah, wie Blitze die Dunkelheit erhellten. Donnergrollen war zu hören. Zweifelsohne würde mich das Unwetter in Kürze erreichen. Wie weit es bis zum nächsten Ort war, wusste ich nicht genau. Vielleicht noch ein oder zwei Kilometer. Ich erhöhte mein Tempo. Als ich hinter mir zwei Pilgerinnen ausmachte, stellte sich sofort ein Gedanke ein: Schneller gehen, damit ich vor den beiden ein Bett bekomme. Im gleichen Augenblick ermahnte mich mein Gewissen: »Denke an Pamplona, als du gerannt bist, du warst vor vielen anderen in der Herberge. Doch was hat es dir eingebracht?« Ist ja gut, ich renne nicht und vertraue darauf, dass jeder ein Bett bekommt. Am Ende der Weide wartete ich auf die Pilgerinnen und hielt ihnen das Holztor auf. Sie bedankten sich lächelnd. Zu dritt gingen wir schnellen Schrittes auf den kleinen Ort Agés zu, den ich nun von einer Anhöhe einsehen konnte, was mir Hoffnung auf eine baldige Einkehr vermittelte. Als ich die beiden Holländerinnen vorbeiziehen lassen musste, kamen doch wieder Zweifel auf. Hoffentlich bekomme ich ein Bett.
    Die Gewitterfront kam mit bedrohlicher Geschwindigkeit näher. Wir gingen schneller und schneller. Ich wunderte mich über meine Kondition, über die Kraft, die noch vorhanden war. Beim Betreten der Herberge klatschten die ersten dicken Tropfen auf den trockenen Asphalt, der lange kein Regen gesehen hatte. Die private Pilgerherberge, in der noch genügend Betten frei waren, war ein absoluter Glücksfall. Erst zwei Monate zuvor hatte die Eröffnung stattgefunden. Die Letzten werden die Ersten sein, kam mir in den Sinn. Bewusst hatte ich nach meinen Begleiterinnen die Herberge betreten.
    In dem Zehnbettzimmer, das mir von der jungen Herbergsmutter zugewiesen wurde, wartete eine weitere freudige Überraschung auf mich: Alice. Wir umarmten uns herzlich. Ich war glücklich, sie vor ihrer letzten Etappe noch mal zu sehen. Der Camino hielt immer wieder Überraschungen bereit. Die Holzbetten und das freundliche Dekor hießen die Pilger willkommen. Duschen und Toiletten waren neu und sauber. Ein junger Italiener und ein deutscher Pilger lagen auf ihren Betten und lauschten dem Donnergrollen. Draußen tobte ein heftiges Gewitter.
    Natürlich erzählte ich Alice von Nadines Nachricht. Sie lächelte mich an: »Na, entwickelt sich da etwas?« Ich musste lachen. »Du weißt, dass ich nicht auf der Suche nach einer Frau bin.« Der Deutsche bot uns von seiner Flasche Rotwein an. Alice

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