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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manolo Link
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mehr heiß, doch stark. Ich war Pilger und mit dem zufrieden, was ich bekam, und das war viel. Komfort und Perfektionismus waren keine Synonyme für Pilgern.
    Alices letzte Etappe wollten wir gemeinsam bewältigen. Es nieselte aus einem bewölkten Himmel. Wir zogen unsere Regencapes über. Im nächsten Ort versorgte sich Alice in einem Geschäft mit Proviant. Während ich wartete, lernte ich zwei junge Pilgerinnen aus Österreich kennen, die sich uns anschlossen.
    Nadine hielt in meine Gedankenwelt Einzug. Auch ihre zweiwöchige Pilgerschaft ging in Burgos zu Ende. Nach einem längeren Anstieg fanden wir uns auf einer Anhöhe, vor einem gigantischen Holzkreuz wieder. Mit den Alpenländerinnen legte ich eine kurze Rast ein. Alice hatte es eilig, nach Burgos zu kommen, und setzte ihren Weg fort. Minuten später brachen auch wir auf. Nach einigen hundert Metern boten uns die gelben Pfeile unerwartet eine Wegalternative an. Wir entschieden uns für den Weg rechter Hand. Von Alice, die sich anscheinend für den anderen Weg entschieden hatte, war weit und breit nichts zu sehen.
    Die gelben Pfeile, die mir bis zu diesem Zeitpunkt immer zuverlässig den Weg gewiesen hatten, waren irgendwann verschwunden. Ich war verärgert, weil ich vermutete, einige Kilometer zusätzlich gehen zu müssen. In einem Ort fragte ich eine Frau nach dem Jakobsweg. Sie wies mir die Richtung. Ich fühlte mich müde und legte auf einer Bank eine Rast ein. Meine Begleiterinnen, die ebenfalls ein wenig frustriert dreinschauten, zogen weiter. Ich stärkte mich mit einem Apfel und einigen Keksen, packte mein Regencape in den Rucksack und machte mich auf. Ich vermisste meine heißgeliebten gelben Pfeile. Nach einem Kilometer stand ich vor der Nationalstraße, der ich folgte, weil diese mich sicher nach Burgos führen würde. Auf einem Parkplatz, vor einem großen Hotel, traf ich erneut auf die Österreicherinnen, die offensichtlich nicht weiter wussten. Ein Polizist, den ich nach dem Jakobsweg fragte, konnte auch nicht weiterhelfen. Gemeinsam mit den Frauen wanderte ich über die Nationalstraße.
    Weil uns die zahlreichen LKWs, die an uns vorbei rauschten, immer mehr nervten, kletterten wir eine Böschung hoch und begaben uns auf einen unebenen Feldweg, der parallel zur Straße verlief. Er war tief und beschwerlich. Eine Stunde brauchten wir, bis der erste gelbe Pfeil am Stadtrand von Burgos unsere Herzen erfreute. Was machen wir nur, wenn wir wieder zu Hause sind und uns die gelben Pfeile nicht mehr den Weg weisen? Wahrscheinlich verfallen wir in eine völlige Orientierungslosigkeit, kam mir in den Sinn und ich musste lachen. Die Industriezone von Burgos sah nicht besonders einladend aus. Meine Begleiterinnen zogen weiter. Ich legte eine Pause ein.
    In einer Raststätte trank ich Café und bestellte eine Kleinigkeit zu essen. Ich nahm meinen Reiseführer, der mir verkündete, dass bis zur Kathedrale nun sechs Kilometer Asphaltweg durch Industriegebiet und Stadt auf mich warteten. An der Bushaltestelle machte ich einige Pilger aus, die nicht bereit waren, den hässlichen Weg zu wandern, was mir durchaus vernünftig erschien. Doch weil ich ein Versprechen abgegeben hatte, den gesamten Jakobsweg zu gehen, machte ich mich auf, auch diesen unschönen Abschnitt in Angriff zu nehmen. Ich versuchte, möglichst schnell zu gehen, dann hätte ich ihn bald hinter mir. Die zahlreichen Autos nervten mehr und mehr. Ihr Tempo erschien mir unnormal, viel zu schnell. Mein Körper kannte seit Tagen lediglich Gehgeschwindigkeit, und das kam meinem Empfinden einer natürlichen Fortbewegung entgegen. Mein Wagen stand bei Conni und war abgemeldet. Ich überlegte ernsthaft, in Zukunft ohne Auto zu leben.
    »Das ist nicht meine Welt«, sprach ich leise und dachte an die herrliche Natur, die ich durchwandern durfte. Nun setzte wieder Regen ein. Ich erhöhte nochmals meine Geschwindigkeit. Zu allem Überfluss meldete sich meine Blase, die gerne zwei große Kaffee loswerden wollte. Ich schaute mich ununterbrochen nach einem Platz um, an dem ich mich erleichtern konnte. Doch weit und breit sah ich nur Maschendrahtzäune, hinter denen sich größere oder kleinere Firmen befanden. Der Druck nahm zu, mein Ärger ebenfalls. In der freien Natur war alles so einfach.
    Der Wirt schaute mich verwundert an, als ich in seine Bar stürmte, im Vorbeigehen einen Espresso bestellte und hastig die Tür zur Toilette aufstieß. Manchmal sind es die kleinen Dinge, die das Leben leichter machen. Als

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