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Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Ein neues Leben auf dem Jakobsweg

Titel: Ein neues Leben auf dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manolo Link
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innen nass sind, und beschloss, die nächstmögliche Herberge aufzusuchen. Doch der Weg schien einfach kein Ende zu haben. Ich erhöhte meine Geschwindigkeit nochmals. Das gleiche Bild Kilometer für Kilometer - Felder, Felder und nochmals Felder. Mein Blick zum Himmel ließ keine große Hoffnung auf eine Wetterbesserung aufkommen. Nichts zu sehen von einem Schimmer Helligkeit. Ich versuchte die Zeit abzuschätzen, weil ich keine Lust verspürte, in meiner nassen Hosentasche nach der Uhr zu kramen. Es schien mir, als befände ich mich seit Ewigkeiten auf diesem Weg.
    Die Spitze eines Kirchturms riss mich aus meinen Gedanken und kündigte das Ende des Weges an. Es dauerte nicht mehr lange, bis ich den Ortseingang von Calzadilla de la Cueza erreichte. Das erste Gebäude, mit einer brasilianischen Flagge an der Hauswand, war eine Herberge. Als ich eintrat, empfing mich ein grinsender Herbergsvater. Nachdem ich meinen obligatorischen Stempel bekommen hatte, zog ich meine nassen Wanderschuhe aus und stellte sie zu den anderen Paaren im Flur.
    Im Schlafsaal wartete eine Überraschung auf mich, mit der ich nun wirklich nicht gerechnet hatte. Melitta und Alexander waren ebenfalls vor dem Dauerregen in die Herberge geflüchtet. Nach einigen Umarmungen hatten wir uns natürlich viel zu erzählen. Meine nassen Sachen hängte ich, nachdem die Sonne die Wolken aufgelöst hatte, auf eine Leine in den Garten, den ein Swimming-Pool schmückte. Mit Melitta und Alexander ging ich anschließend in ein nahegelegenes Restaurant. Bei einer ausgezeichneten Fischsuppe, Brot und Rotwein plauderten wir über unsere Erlebnisse. Sie erzählten von Rainer, Brigitte und Constantin, die sich weit vor ihnen auf dem Weg befinden würden. Die heiße Suppe und der Wein bewirkten wahre Wunder in meinem Körper.
    Nach dem Mittagsmahl ging ich zur Herberge und legte mich ins Bett. Das erste, was ich nach meinem Nachmittagsschlaf erblickte, war ein nackter Hintern, der mir, in der nunmehr gefüllten Herberge, von einer Pilgerin, die sich umzog, unabsichtlich präsentiert wurde. Ich stand auf, zog mich an, nahm meine Wanderschuhe, stellte sie in die Sonne und setzte mich zu Alexander und Melitta, die am Pool ihre Gesichter genießerisch der Sonne entgegen streckten.
    Gegen sieben gingen wir gemeinsam zum Abendessen. An solchen Abenden war ich immer wieder gespannt, wen ich wohl von meinen Peregrino-Bekanntschaften wiedersehen würde. Alexanders neue Freunde und ein junger Mann aus Alaska vervollständigten unsere Tischrunde. Während des Essens verfolgte ich mit zunehmender Besorgnis das Heranziehen von tiefschwarzen Wolken. Ich musste an meine Kleider und Schuhe denken. Alexander und ich sprangen gleichzeitig auf, als es zu regnen begann. Am Ausgang stellten wir fest, dass es sinnlos war, die 700 Meter zur Herberge zu gehen. Ein Gewitter war aufgezogen, keine Chance, irgendetwas ins Trockene zu retten. Wir hegten die Hoffnung, dass ein Peregrino sich unserer Schuhe angenommen habe.
    Auf dem Rückweg zur Herberge - der Regen hatte seine Tätigkeit eingestellt - war ich voller Sorge wegen meiner Schuhe. Der Gedanke, am nächsten Morgen in nasse Schuhe zu steigen, war grauenvoll. Meine Sorge war unberechtigt. Eine junge deutsche Peregrina aus Hannover hatte alle Schuhe vor dem Regen gerettet. Für meine Wäsche kam ihre Hilfe leider zu spät, wie sie mir sagte. Das war kein Drama, weil ich schließlich noch trockene auf dem Leib trug.
     

»Vergebung führt zur Heilung.«
    Margarethe Habermann
     

11 Der doppelte Hansi
     
    Glücklicherweise hatte der Regen beschlossen, seine Arbeit nach dem gestrigen Tag einzustellen. Es war bewölkt, aber trocken an diesem Morgen. In der Gewissheit, sie trocken vorzufinden, stieg ich frohgelaunt in meine Wanderschuhe. Die nasse Wäsche befestigte ich mit Sicherheitsnadeln am Rucksack. Ich zog alleine los, nachdem ich Melitta und Alexander einen guten Weg gewünscht hatte. Beim Abschiednehmen wusste ich nun, dass es sich nicht unbedingt um ein endgültiges handeln musste, was meine Gemütsbewegungen hoch einzuschätzen wussten. Doch wenn ein Mensch Abschiednehmen lernen will, dann ist der Camino geradezu prädestiniert für dieses Unterfangen. Jeder Tag ist ein Tag der Abschiede. Abschiede von Menschen, Orten und Landstrichen.
    Nach sechs Kilometern erreichte ich Ledigos, eine kleine Ortschaft. Die Bar war offen und ich glücklich. Zwei Kaffee und einen kleinen Imbiss nahm ich mit Richtung Santiago, das aus der Ferne

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