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Ein neues Paradies

Titel: Ein neues Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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vierundsiebzig Kilogramm oder eineinhalb Zentner Steinkohle restlos zerbrechen, wenn Sie also nicht nur die Moleküle dieser Kohlenmenge umlagern, wie dies bei der Verbrennung geschieht, sondern auch ihre Atome zersplittern und in Nichts auflösen, dann werden Sie aus diesen eineinhalb Zentnern genau die gleiche Energiemenge freimachen können, die Sie durch die Verbrennung jener zweihundert Milliarden Kilogramm gewonnen haben. Ich denke, diese Rechnung verlohnt sich wohl der Mühe. Mit einer Menge Kohlen, die Sie im Handkoffer noch zur Not fortschaffen können, können Sie den Energiebedarf ganz Deutschlands für ein volles Jahr decken. Und – noch eins – es braucht keine Kohle zu sein. Nur auf die Masse kommt es an. Mit eineinhalb Zentnern Kieselsteinen oder Seewasser oder Luft können Sie die gleiche Wirkung erreichen. Es kommt nur darauf an, ein Verfahren zu finden, bei dem die Atome dieser eineinhalb Zentner wirklich in Nichts zersplittern und ihre Arbeit in nutzbringender Form von sich geben. Die Lösung dieser Aufgabe, die ich Ihnen hiermit erläutert habe, ist nicht meine Sache, sondern die der künftigen Technik. Als Theoretiker überschaue ich die Dinge nur und erblicke schon jetzt die großen Zukunftsmöglichkeiten, die die Theorie uns erschließt. Kommt alles so, wie ich es mit Sicherheit erwarte, so gehen wir einem technischen Zeitalter entgegen, demgegenüber die ganze Dampftechnik der letzten hundertfünfzig Jahre überhaupt nur eine verschwindende Episode bedeutet. Und darum, lieber Freund, betrachte ich auch die gegenwärtigen Kämpfe um die Kohlenlager der Welt nur für ein sehr vorübergehendes Zwischenspiel, zwar peinlich für die augenblicklich davon Betroffenen, aber höchst gleichgültig für die weitere Entwicklung der Menschheit.«
    Wir befinden uns im Laboratorium des Professors Hansen. Ein neuzeitliches Laboratorium, das sich in mancher Beziehung von älteren derartigen Instituten unterscheidet. Zwar gibt es auch hier allerlei Retorten, Reagenzgläser, Maßgefäße und so weiter. Aber den Kernpunkt bilden doch die elektrischen Einrichtungen. Hier sieht man ein Induktorium, das eine Spannung von einer halben Million Volt erzeugen kann. Hier finden sich alle Vorrichtungen, um Glas zu schmelzen und zu blasen, und hier stehen endlich jene modernsten Luftpumpen, die sich zur alten zweistiefligen Laboratoriumsluftpumpe ungefähr verhalten wie ein modernes Schnellfeuergewehr zu einem alten Vorderlader mit Steinschloß. Luftpumpen, mit denen es möglich ist, den Gasdruck in einem Glasgefäß auf den hundertbillionsten Teil des atmosphärischen Druckes zu verringern. Das will aber immerhin schon etwas heißen. Bei gewöhnlichem Atmosphärendruck sind ja in einem Kubikzentimeter mit irgendeinem Gas gefüllten Raumes sechsundzwanzig Trillionen Moleküle enthalten. Es ist dies die berühmte Loschmidtsche Zahl. Wenn also der Druck auf ein Hundertbillionstel verringert wird, so sinkt die Zahl der Moleküle im Kubikzentimeter auf zweihundertsechzigtausend. Wir sind zwar noch himmelweit von dem sogenannten absoluten Vakuum entfernt, wie wir es uns etwa im Weltraum vorstellen, aber wir haben doch schon eine ganz achtunggebietende Leere erzeugt, in der sich die einzelnen Moleküle ganz anders bewegen können als in dem Gewimmel bei atmosphärischem Druck.
    In solchem Laboratorium treffen wir Professor Hansen mit seinem Assistenten bei der Arbeit. Eine Glasröhre von etwa fünfzig Zentimeter Länge und vier Zentimeter im Durchmesser ist erst mit reinem Stickstoff gefüllt und dann mit Hilfe der Luftpumpen wieder nach Möglichkeit evakuiert worden.
    »Es liegt mir daran«, wendet der Professor sich jetzt an seinen Assistenten, »vor allen Dingen erst einmal den klassischen Versuch von C. Rutherford nachzuprüfen. Wie Sie wissen, vertritt C. Rutherford die Theorie, daß das Stickstoffatom aus Helium- und Wasserstoffatomen aufgebaut ist, die um einen gemeinschaftlichen Schwerpunkt kreisen und durch dazwischengelagerte Elektronen verkuppelt sind. Der Bau des Stickstoffatoms ist aber so solid, daß man ihn mit den gangbaren physikalischen und chemischen Mitteln nicht zertrümmern kann. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit. Man muß fremde freie Elektronen mit annähernder Lichtgeschwindigkeit auf das Stickstoffmolekül abschießen. Millionenmal wird man es überhaupt nicht treffen. Hunderttausendmal wird man es treffen, aber man wird keinen lebenswichtigen Teil des Atoms berühren und der Schuß wird

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