Ein neues Paradies
elektrischen Stromes ist daher auch ganz außerordentlich hoch. Sie sehen, daß diese Röhre ungefähr ein Meter lang ist. Ich schalte jetzt die Spannung des Induktoriums auf das Rohr und habe neben und parallel zu ihm eine freie Funkenstrecke in der Luft. Sie sehen, daß der Strom sich mit Gewalt in Form knallender Funkenentladungen durch die atmosphärische Luft Bahn bricht und das beinahe absolute Vakuum in der Röhre nicht zu überspringen vermag. Jetzt aber will ich ganz allmählich den Heizstrom einschalten und die Kathode etwas erhitzen. Der Zweck dieser Erwärmung ist ein doppelter. Einmal werden durch die Wärme die Elektronen in der Kathode so weit gelockert, daß sie von der elektrischen Spannung fortgeführt werden können. Es muß also ein Stromübergang in der Röhre zustande kommen. Ferner aber wird durch die Hitze auch eine kleine Spur des Bleiüberzuges verdampft. Eine kleine Spur heißt immerhin, daß sich ein paar Millionen Bleidampfmoleküle in dem Rohr befinden. Wie Sie sehen, steht mein Rohr senkrecht und die Wolframkathode bildet gewissermaßen ein Becherchen, in dem sich das unter dem Einfluß des Heizstroms schmelzende Bleitröpfchen sicher hält, ohne auf die Glaswandung der Röhre hinabzutropfen. Es muß sich also in der Röhre Bleidampf bilden. Wir nehmen dabei nach der Theorie an, daß im dampfförmigen Zustand der Zusammenhang der Bleiatome, die das Bleimolekül bilden, aufgehoben ist. Es schwirren also freie Bleiatome in der Röhre herum, und diese sind den Stößen der Elektronen ausgesetzt. Was dabei herauskommt, das, mein lieber Freund, wollen Sie nun freundlichst durch das Spektroskop beobachten. Ich schalte jetzt ein, und Sie sehen zunächst das reine Spektrum des glühenden Bleidampfes. Hier haben Sie eine Tafel, auf der die Spektra sämtlicher Metalle verzeichnet sind. So …! Der Strom fließt, die Kathode ist geheizt. Nun beobachten Sie, bitte, ob neue Linien auftreten und was für welche.«
Wohl eine Viertelstunde beobachteten die beiden Gelehrten den Gang der Ereignisse durch Spektroskope. Dann richtete sich Professor Barella auf und betrachtete prüfend und vergleichend die Spektraltafel.
»Alle Wetter, Herr Kollege«, brach er dann los, »das ist ja ein ganzer Hexenkessel. Ich glaube, dort mit Sicherheit die Linien des Natriums und Lithiums zu sehen. Und das hier, die violette und die dunkelrote Linie sind doch für das Kalium charakteristisch. Hier taucht das Spektrum des Heliums auf. Jetzt sehe ich die drei Wasserstofflinien, und jetzt scheinen mir die Spektra von Gold und Silber über das Bild zu huschen.«
»Sie haben richtig gesehen«, erwiderte Professor Hansen. »Das Blei wird durch die Elektronen in Gold und Helium zerschmettert. Das Gold wird weiter in Kalium, Silber und Wasserstoff zertrümmert. Wenn ich die Röhre zehntausend Jahre in Betrieb hielte, dürfte voraussichtlich alles Blei in Wasserstoff und Helium verwandelt sein.«
»Zehntausend Jahre sind sogar für einen Professor der Physik eine etwas lange Zeit«, unterbrach ihn Barella sarkastisch. »Ich würde Ihnen vorschlagen, das Experiment abzubrechen, sobald sich das Blei in Gold verwandelt hat. Dann kommt bei dem Geschäft wenigstens ein kleiner Gewinn heraus.«
»Der Volkswirtschaftler kann sich nun einmal nicht verleugnen«, entgegnete Professor Hansen lachend. »Nehmen wir wirklich einmal den Fall an, ich könnte beliebige Bleimengen mit einem ganz geringen Aufwand von elektrischer Energie in lauteres Gold verwandeln. Was würde nach Ihrer Meinung die Folge sein?«
Professor Barella überlegte einige Zeit. Dann erwiderte er: »Selbstverständlich müßten Sie diese Erfindung strengstens geheimhalten. Sie müßten sich sofort mit der deutschen Regierung in Verbindung setzen, und diese müßte das Monopol haben und so viel Gold fabrizieren, daß wir vom Ausland endlich ohne Sorge alles kaufen könnten, was wir für unser Wohlergehen brauchen, insbesondere also Lebensmittel und Rohstoffe.«
Professor Hansen setzte sich in Positur. »Jetzt gestatten Sie mir einmal, daß ich, der Physiker, den Volkswirtschaftler belehre. Der Wert des Goldes beruht lediglich auf seiner Seltenheit. Sie erinnern sich vielleicht, daß die alten Inka, die Überfluß an diesem gelben Metall hatten, es gar nicht so sehr schätzten und die gewöhnlichsten Gegenstände des täglichen Gebrauchs daraus fertigten. Sobald wir heute von Staats wegen nach Belieben Gold anfertigen, würde es damit genauso gehen, wie während des
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