Ein neues Paradies
wirkungslos abprallen. Einmal vielleicht unter einer Milliarde von Schüssen wird man glücklicherweise eins der kuppelnden Elektronen erwischen, und dann kann dieses wohl von dem mit Lichtgeschwindigkeit heranstürmenden fremden Elektron aus dem Atomgefüge mit herausgerissen werden, dann kann es uns vielleicht gelingen, den ganzen Atombau zum Einsturz zu bringen und freie Heliumund Wasserstoffatome zu erhalten. Diesen Versuch, mein Herr, wollen wir jetzt machen. Ich werde also die Wolframkathode in der Stickstoffröhre mit Hilfe des elektrischen Stromes zum Glühen bringen. Ich werde den hochgespannten Strom des Induktoriums durch die Röhre schicken. Negativ geladene Elektronen müssen dann mit Lichtgeschwindigkeit aus dem glühenden Wolfram hinausfliegen und durch die Röhre sausen. Neben der Röhre steht ein Spektroskop, durch das ich Sie bitte, die Röhre zu beobachten. Sobald nach dem Einschalten des Stromes neben den Stickstofflinien des Spektrums Heliumoder Wasserstofflinien auftreten, geben Sie mir ein Zeichen.«
Nach dieser Erklärung schaltete Professor Hansen den Heizstrom ein, und das Kathodenblech der Röhre glühte dunkelrot auf, um allmählich in Gelbglut und helle Weißglut überzugehen. Danach setzte er das Induktorium in Betrieb. Es war nach der praktischen Erfindung von Professor Dessauer gewickelt und gab die enorm hohe Spannung von einer halben Million Volt. Alsbald erglühte das Ende der Röhre, an dem die von der Kathode weggeschleuderten Elektronen das Glas trafen, in hellem, grünem Licht. Nach außen hin ging hier von diesem Röhrenende, durch die aufprallenden Elektronen erregt, eine äußerst harte und starke Röntgenstrahlung aus, die Professor Hansen veranlaßte, eine schwere Bleikappe über dies Röhrenende zu schieben. Dann ließ er das Induktorium ruhig weiter spielen und machte es sich in seinem Sessel bequem.
»Wasserstoff«, murmelte der Assistent, »eben habe ich die drei charakteristischen Linien rot, grün und blau aufleuchten sehen. Jetzt sind sie wieder verschwunden. Jetzt waren sie wieder da.«
Professor Hansen nahm ein Taschenspektroskop vom Tisch und visierte auch seinerseits die Röhre an. Die Beobachtung stimmte. Neben den zahlreichen Linien des Stickstoffes waren die drei Wasserstofflinien ebenso unverkennbar wie die Heliumlinien. Die Zerschmetterung des Stickstoffes, jenes chemischen Elementes in zwei andere chemische Grundstoffe, war zweifellos zum Teil gelungen.
»Rutherford hat also recht«, wandte sich Professor Hansen an seinen Assistenten. »Es gibt ein Mittel, um die Atome aufzubrechen, und dieses Mittel ist das mit Lichtgeschwindigkeit fliegende freie Elektron. Die Nachprüfung des Versuches ist einwandfrei gelungen. Mancherlei ist erreicht, aber unendlich viel bleibt noch zu tun.«
Der Assistent räusperte sich. »Ich meine, Herr Professor, man müßte es einmal mit gewaltigen Drucken und hohen Temperaturen versuchen. Wenn man den Stickstoff etwa auf tausend Grad erhitzte und gleichzeitig auf tausend Atmosphären zusammenpreßte, so müßte er sich doch am Ende auch in seine Bestandteile auflösen.«
»Ganz verkehrt, mein Lieber«, fiel ihm der Professor ins Wort. »Druck und Hitze sind physikalische Mittel, mit denen Sie allenfalls die Moleküle, aber niemals die Atome beeinflussen können. Soviel wissen wir nun wenigstens vollkommen sicher. Unser nächster Schritt muß eine genaue Buchführung über die verbrauchten und die gewonnenen Energien liefern. Weiter empfehle ich Ihnen auf das angelegenste das Studium der verschiedenen Spektra, und endlich müssen wir jetzt darangehen, die schwereren Elemente, beispielsweise Blei, in Dampfform in die Röhre zu bringen und dem Anprall der Elektronen auszusetzen. In dieser Richtung müssen sich unsere Arbeiten in der nächsten Zeit bewegen, wobei ich bemerken möchte, daß diese nächste Zeit vielleicht einen Zeitraum von zwanzig Jahren umfassen kann.«
Jahre waren seit diesem Versuch verflossen. Zwar nicht zwanzig, aber doch immerhin deren fünf waren ins Land gegangen, als Hansen mit seinem Freund Barella zusammen das Laboratorium betrat. Hansen ergriff ein langes evakuiertes Rohr und zeigte es seinem Freund.
»Sie sehen hier eine der gewöhnlichen Kathodenröhren. Die Kathode besteht aus Wolfram und ist mit einem Bleiüberzug versehen. Die Evakuierung dieser Röhre ist ungemein weit getrieben. Es befinden sich kaum noch ein paar tausend Gasmoleküle in ihr. Ihr Widerstand gegen den Durchgang des
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