Ein neues Paradies
daß die ganze Anlage einen wirklichen Nutzeffekt von 1,6 vom Tausend gibt. Das ist natürlich wirtschaftlich ganz grober Unfug. Es muß unsere Aufgabe sein, die Energie beim Zerfall der Masse sofort in Form von Elektrizität oder Licht zu gewinnen. Darüber wird sich die künftige Technik jedenfalls noch einigermaßen den Kopf zu zerbrechen haben. Mir genügt es, als Physiker wenigstens den Beweis geliefert zu haben, daß sich durch den Zerfall von Masse riesenhafte Energiemengen gewinnen lassen. Ich gedenke, dieses Maschinchen hier in den nächsten Tagen der Akademie der Wissenschaften in Berlin zur Aufbewahrung und zur Beobachtung zu übergeben.«
Zwanzig Jahre sind seit jener Vorführung im Laboratorium von Professor Hansen ins Land gegangen. In einem besonderen Raum in der Akademie zu Berlin steht unter Glas die kleine Dampfmaschine und verrichtet tagaus, tagein ohne Unterlaß ihre Arbeit. Nur noch als historisches Gedenkstück wird sie dort aufbewahrt und gepflegt, denn längst hat sie zahlreiche Nachkommen erhalten. Obwohl der Weg, Wasser durch zerfallende Materie zu erhitzen, energiewissenschaftlich keineswegs ideal ist, ist er doch immerhin hundertmal besser als das ältere Verfahren, die Energie durch Kohlenverbrennung zu erzeugen. So sind denn solche Dampfmaschinen mit einer Gesamtleistung von vielen Millionen von Pferdestärken auf der ganzen Erde in Tätigkeit. Kohle wird zwar noch gegraben, aber nicht mehr als Brennstoff wird sie benutzt, sondern in chemischen Fabriken auf wertvolle Kohlenstoffverbindungen hin weiter verarbeitet. Die Verhältnisse haben sich einfach so eingestellt, daß etwas Masse, und zwar Blei im Gewicht von etwa zweitausend Kilogramm jährlich, auf der Erde spurlos verschwindet und durch den Zerfall dieser Masse der ganze Energiebedarf reichlich gedeckt wird. Die Erde wird also in jedem Jahr um zweitausend Kilogramm leichter. Da sie aber einige Quadrillionen Kilogramm wiegt, wäre dieser Verlust auf Milliarden von Jahren überhaupt nicht merkbar. Überdies aber stürzen jährlich aus dem Weltraum Gesteinsmassen auf unseren Planeten, deren Gewicht wenigstens das Hundertfache dieser zweitausend Kilogramm beträgt. Ein Ende dieser neuen Energiewirtschaft läßt sich also rechnungsmäßig überhaupt nicht voraussehen. Man könnte die Dinge ruhig gehen lassen, wie sie gehen, aber der menschliche Erfindungsgeist arbeitet rastlos weiter.
Professor Hansen, den wir zum Beginn unserer Erzählung als einen Mann Ende der Dreißigerjahre angetroffen haben, ist mittlerweile ein hoher Sechziger geworden. Unablässig aber geht er seiner Forschung nach und verfolgt das gesteckte Ziel, die beim Zerfall der Materie freiwerdende Energie wirtschaftlicher auszunutzen. Die Theorie ist ja völlig geklärt. Das zerfallende Blei schleudert sowohl freie negative Elektronen wie auch positiv geladene Wasserteilchen aus. Gelingt es, diese Teilchen und Elektronen irgendwie zu steuern, so daß sie bei ihrem Flug nicht wild durcheinander schwirren, sondern daß die negativen Teile etwa nach einem Metallpol, die positiven nach einem anderen hinströmen, so ist die Bedingung für die Entstehung eines elektrischen Stromes gegeben, und es muß gelingen, die gesamte bei dem Zerfall freiwerdende Arbeit unmittelbar in elektrische Energie umzusetzen. Ein solches Mittel nun, die fliegenden Teilchen zu steuern, ist der Wissenschaft seit langem bekannt. Es ist das starke elektromagnetische Feld, das die negativen Teilchen nach der einen, die positiven nach der anderen Richtung hin ablenkt. Aber gewaltige Schwierigkeiten blieben trotzdem immer noch zu überwinden. Aus irgendeinem Stück zerfallender Masse treten die Teilchen ja nach allen Richtungen heraus. Wenn es nicht gelingt, die Teile von Anfang an einigermaßen zu ordnen, so müssen alle Steuerungsmittel dennoch versagen.
Die letzten zwanzig Jahre hat Professor Hansen unermüdlich über dieses Problem nachgesonnen. Der Zufall ist ihm dabei zu Hilfe gekommen. Gelegentlich seiner Untersuchungen an Kristallen hat er ein Salz entdeckt, dessen kristallinischer Aufbau derartig maschenförmig ist, daß die kleinen negativen Elektronen durch die Maschen ungebremst hindurchfliegen können, während die zweitausendmal größeren positiven Teilchen von dem Kristallgeflecht elastisch reflektiert werden. In jahrelangen Versuchen ist es ihm gelungen, auf polierten Kupferblechen einen atomdünnen gleichmäßigen Überzug dieses kristallisierten Salzes zu erzeugen. Damit aber hatte
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