Ein Noah von heute
schaufelte. Ich mußte die Näpfe rasch in die Vogelkäfige schieben, bevor die Termiten herauskrabbelten. Allen Vögeln war die Notwendigkeit der Eile klar, und kaum hatte sich die Tür hinter meinen Händen geschlossen, da saßen die Vögel auch schon auf dem Rande des Blechnapfs und pickten heftig drauflos.
Abgesehen vom Fütterungsproblem ergab sich die Frage, die vielen verschiedenen Tiere richtig unterzubringen. Jede Gattung mußte ihren eigenen besonderen Käfig haben, der also mit großer Sorgfalt entworfen und gebaut wurde. Er mußte so beschaffen sein, daß er in den Tropen kühl war, jedoch den Tieren warm gab, wenn sie sich auf dem Schiff England näherten. Als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme machte ich für jeden Käfig einen Vorhang aus Sackleinwand, den ich über das vordere Gitter lassen konnte, so daß das gefangene Tier bei Regenwetter oder kaltem Wind geschützt war.
Ferner hatte ich mit dem Problem der Größe zu tun. Manchmal benötigte ein kleines Geschöpf einen großen Käfig, um gesund zu bleiben. Andererseits mußte mitunter ein großes Tier aus demselben Grunde in einem kleinen Käfig gehalten werden. Die Buschbabies zum Beispiel brauchten viel Raum, um ihre Sprünge zu vollführen und ringelum zu laufen, da sie in der Freiheit fortwährend in Bewegung sind, und wären sie in kleinen Käfigen gehalten worden, so hätte ihnen die nötige Körperbewegung gefehlt.
Hingegen mußten einige schöne gescheckte Hirschferkel, die ich einmal meiner Sammlung einverleibte, in langen, schmalen Boxen gehalten werden, worin sie sich nicht umdrehen konnten. Die Boxen mußten an den Seiten mit wattegefüllten Plachen gefüttert werden. Diese Tiere sind nämlich außerordentlich nervös, und wenn der Käfig im Lastwagen gerüttelt und geschüttelt wurde oder beim Ein- und Ausladen aufs Schiff durch die Luft schwebte, konnten die Hirschferkel zutiefst erschrecken. In einem viereckigen Käfig wären sie wild herumgejagt, hätten schließlich das Gleichgewicht verloren und sich beim Fall wahrscheinlich die schlanken, zarten Beine gebrochen. In dem langen, schmalen Käfig aber konnten sie sich an den gepolsterten Seiten stützen, wenn es irgendeine Erschütterung gab, und dabei bestand keine Gefahr, zu stürzen und sich ein Glied zu brechen. Die Polsterung verhinderte natürlich, daß sie sich am Holzwerk wundrieben.
Noch ein Lebewesen mußte eine gepolsterte Box haben, und das war merkwürdigerweise ein phantastischer Frosch, den ich fing, ein sogenannter Haarfrosch. Das Hinterteil und die dicken Schenkel dieser schokoladefarbenen Amphibien sehen aus, als wären sie mit dichtem Haar bewachsen, in Wirklichkeit aber sind sie mit langen Hautfasern bedeckt. Alle Frösche atmen bis zu einem gewissen Grade sowohl durch die Haut als auch mit Hilfe ihrer Lungen. Darum ist es notwendig, den Frosch feucht zu halten; sonst trocknet seine Haut aus, und er erstickt. Haarfrösche leben in schnellfließenden Bergbächen, und zwar meistens unter der Wasseroberfläche. Sie benutzen ihre Lungen weniger zum Atmen als die gewöhnlichen Frösche, und infolgedessen brauchen sie mehr Haut, um unter Wasser atmen zu können. Deswegen haben sie die «Haare» entwickelt.
Die Unterbringung dieser sonderbaren Frösche bereitete mir Kopfzerbrechen. Die meisten Frösche bewahrt man in einer flachen Schachtel auf, bis man sich einschifft, dann tut man jeden in einen Musselinsack, der an der Seite einer Kiste aufgehängt wird. In diesen Säcken sitzen sie recht vergnügt, bis sie nach Europa gelangen. Während der Reise verlangen sie nicht viel Nahrung; solange sie zwei- bis dreimal am Tag angefeuchtet werden, sind sie durchaus
zufrieden.
Der Haarfrosch hat außer dem merkwürdigen Schmuck am Hinterteil noch eine Eigenart. In den fleischigen Zehen der Hinterfüße hat er lange, scharfe Krallen ähnlich wie die Katze, und wie eine Katze kann er sie einziehen. Wollte man nun die Haarfrösche in den üblichen Musselinsack stecken, so würden sie zu springen versuchen; die Krallen, die dabei herauskämen, würden sich im Musselin verfangen, und binnen kurzem wären die Frösche unten im Sack zu scheußlichen Klumpen geballt. Darum beschloß ich, die Haarfrösche in einer Kiste auf die Reise zu schicken. Jetzt ergab sich ein anderes Problem. Die Kiste mußte ganz flach sein, sonst würden die Frösche, sowie sie erschraken, in die Luft springen und sich am oberen Drahtgitter den Kopf anschlagen. Darum setzte ich alle meine Haarfrösche in
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