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Ein orientalisches Maerchen

Ein orientalisches Maerchen

Titel: Ein orientalisches Maerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Brooks
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kletterten Ziegen – ja, wirklich! – auf Bäumen, deren Namen sie nicht einmal kannte. Putzmunter turnten die Tiere dort auf den Ästen und rupften Blätter und Früchte ab, die Oliven ähnelten.
    „Arganien oder Eisenholzbäume, wie sie auch genannt werden, gehören zu den ältesten Bäumen der Welt und wachsen weltweit nur noch in diesem Teil Marokkos. Besonders kostbar sind ihre Früchte – aus den Kernen wird das exklusivste Öl der Welt gewonnen, das Arganöl.“ Mit einem wissenden Lächeln deutete Dumont auf eine Ziege am Boden, die gerade genüsslich einige heruntergefallene Früchte verspeiste. „Das Ernten der Früchte ist mühselig, da die Bäume sehr dornig sind. Die Berber haben sich deshalb einen Trick einfallen lassen: Entweder sie warten, bis die reifen Früchte von den Bäumen fallen, oder sie schicken ihre Ziegen nach oben. Die kleinen Kletterkünstler fressen dann die Früchte, scheiden die Kerne aber unversehrt wieder aus. Diese wiederum sammeln die Berber einfach ein und beginnen mit der Ölherstellung.“
    Kit lachte. „Was? Das ist ja unglaublich!“ Sie war immer noch wie verzaubert von dem Schauspiel vor ihren Augen.
    „Na, dann habe ich ja endlich mal etwas gefunden, das Sie wenigstens ein bisschen zum Schnurren bringt.“ Dumont musterte Kit schmunzelnd und lenkte den Wagen wieder auf die staubige Landstraße.
    Schnurren?
    Sofort wurde Kit reservierter. Ihr Argwohn war wieder da.
    Das kleine Erlebnis vorhin schien das Eis zwischen ihnen gebrochen zu haben – dafür stieg ihr jetzt zu ihrem Entsetzen die Hitze ins Gesicht. Eigentlich hatte er doch gesagt, dass er sie gar nicht leiden könne. Stattdessen machte er immer diese Andeutungen, mit denen er sie völlig aus dem Konzept brachte.
    Alles Einbildung! Da ist nichts zwischen ihm und dir, sagte sie sich energisch, absolut nichts.
    Aber was, wenn doch?
    In dem Moment merkte sie, dass der Wagen angehalten wurde und sie bereits den Flugplatz mit dem Hangar erreicht hatten, vor dem einige Privatmaschinen standen. Ein Mann, bei dem es sich anscheinend um einen Mechaniker handelte, wartete dort vor einer silberfarbenen Cessna mit laufendem Motor und winkte ihnen zu, als sie ausstiegen und ihm entgegenliefen.
    Wenig später saß Dumont selbst am Steuer und Kit mit klopfendem Herzen auf dem Platz daneben. Angespannt umklammerte sie mit feuchten Händen den Sitz.
    Dumonts Augen funkelten amüsiert, als er sich anschnallte. „Na, legen Sie mal Ihren Gurt an, und dann geht’s los.“
    Kit konnte nur stumm nicken – dafür meldete sich ihr Magen, als die einmotorige Maschine startete, sich von der Rollbahn hob und eine Schleife über dem Hangar zog. Bald konnte sie in der Ferne die schneebedeckten Gipfel eines Gebirges sehen.
    „Wo genau liegt eigentlich Marrakesch?“, fragte sie so laut sie konnte, um den Motorenlärm zu übertönen.
    „Südlich von Casablanca am Fuße des Hohen Atlas. Marrakesch halten viele für die schönste und orientalischste Stadt Marokkos: Perle des Südens und grüne Oase am Tor zur Sahara. Mehrere große Stauseen dienen nicht nur als Revier für Schwimmer, sondern versorgen die Stadt auch mit fließendem Wasser. Also keine Sorge – auf Ihr Bad brauchen Sie dort nicht zu verzichten.“ Dumont sah sie intensiv an, und Kit errötete. Wollte er sie mit seinen Blicken ausziehen?
    „Das Pendeln zwischen dem Alten und Neuen, die Wechselspiele zwischen den Kulturen …“, seine dunklen Augen blitzten amüsiert, als hätte er Kits Gedanken erraten, „… locken inzwischen nicht nur Abenteuer-Touristen aus ganz Europa an, sondern auch den internationalen Jetset. Die wahre Seele von Marrakesch aber, den Pulsschlag des Orients erleben Sie auf dem Djemaa el Fna. Nirgends in Nordafrika gibt es einen solchen Platz – wie auf einer bunten Freilichtbühne treffen sich dort Schlangenbeschwörer, Wahrsager, Quacksalber, Zauberer, Gaukler, Akrobaten, Zahnausreißer und Wunderheiler. Das müssen Sie gesehen haben! Und erst die mittelalterlichen Paläste und maurischen Kulturbauten – wenn Sie wollen, werde ich Sie Ihnen zeigen …“
    „Nein, das wird nicht nötig sein.“ Sie hatte ihn so brüsk unterbrochen, dass sie jetzt selbst darüber erschrak. „Ich …“, stammelte sie auf der Suche nach einer glaubwürdigen Erklärung für ihre harsche Ablehnung. „Ich meine ja bloß, dass ich Ihnen keine weiteren Umstände machen möchte. Spätestens in ein bis zwei Tagen werde ich wieder abreisen, Mr. Dumont.“
    „Gerard.

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