Ein orientalisches Maerchen
Zita, eine Freundin. Sie ist Ärztin“, stellte er die beiden vor.
Eine Freundin? Kit hatte die Vertrautheit zwischen den beiden bemerkt und wusste instinktiv, dass sie mehr als nur Freundschaft verband.
„Ach, Sie wohnen bei Gerard … Sind Sie bei ihm zu Gast, wenn ich fragen darf?“, fragte Zita mit ihrer rauchigen Stimme.
„Sie dürfen. Und es stimmt.“ Kit rang sich ein zuckersüßes Lächeln ab. „Aber ich reise demnächst ab.“
„Schade. Dann haben wir ja gar keine Zeit, uns näher kennenzulernen.“ Das verräterische Funkeln in ihren Augen entlarvte ihre Trauer als Heuchelei. „Vielleicht kommen Sie ja mal wieder?“
„Ich glaube nicht.“ Kit schüttelte leicht den Kopf.
„Na, dann bleibt mir wohl nichts anderes, als Ihnen schon einen guten Rückflug zu wünschen.“ Zita lächelte und verabschiedete sich mit einem Nicken. „Gerard, Claude, Colette – wir sehen uns!“
Kit lächelte gekünstelt und lockerte die verkrampften Hände, die sie zwischenzeitig unter dem Tisch zu Fäusten geballt hatte. Sie fühlte sich wie nach einem verlorenen Kampf. Mit dieser Zita konnte sie einfach nicht konkurrieren. Dennoch brannte sie darauf, Näheres über die attraktive Französin zu erfahren. „Kennt ihr diese Ärztin eigentlich schon lange?“, fragte sie neugierig, bemüht um einen harmlosen Tonfall.
Diesmal war es Gerard, der Auskunft gab. „Unsere Eltern waren sehr gut befreundet. Daher kennen wir uns eigentlich schon, seit wir Kinder waren. Damals sollen wir unzertrennlich gewesen sein.“ Er lächelte unbeteiligt. „Irgendwann wurde Zita auf ein Schweizer Internat geschickt, danach studierte sie Medizin, und inzwischen ist sie als Ärztin sehr erfolgreich in ihrem Beruf.“
Das Essen – Lammrücken mit Couscous, dem marokkanischen Nationalgericht – wurde serviert, und man wechselte das Gesprächsthema. Plauderte über dies und das und schien sich blendend zu unterhalten. Kit sagte allerdings recht wenig, grübelte die meiste Zeit. Wie hatte sie nur so naiv sein können? Sie war zwar anders angezogen als sonst, aber dieselbe Frau wie vorher. Eine farblose Engländerin, die sich als orientalische Femme fatale versucht hatte. Zita hatte ihr das überdeutlich klargemacht. Wie Aschenputtel hatte sie sich neben ihr gefühlt – Aschenputtel auf dem falschen Ball. Und diese Erkenntnis schnürte ihr fast die Kehle zu.
Das Essen sah wirklich köstlich aus, und die dazu gereichte rote Sauce duftete würzig, aber für Kit schmeckte alles irgendwie gleich. Zitas unüberhörbar kehliges Lachen jagte ihr jedes Mal eine Gänsehaut über den Rücken, und wenn die Französin zu ihnen hinüberblickte, stellten sich ihre Nackenhaare auf.
Gerard hingegen schien mit der Situation überhaupt keine Probleme zu haben. Er gab sich höflich und charmant und sorgte mit seinem trockenen Humor und seinen schlagfertigen Antworten für viel Heiterkeit am Tisch.
Pünktlich zum Dessert begann das Showprogramm. Und das war wirklich atemberaubend, wie Kit zugeben musste. Akrobaten in bunten Kostümen wirbelten über die Bühne und formten eine meterhohe Pyramide. Und eine Folkloregruppe tanzte. Aber Kit war unkonzentriert und durcheinander. Einerseits war sie wütend, gekränkt und fühlte sich in ihrem Stolz verletzt. Doch wenn sie genauer darüber nachdachte: Hatte sie Gerard gegenüber nicht immer wieder betont, dass sie mit einem anderen Mann verlobt sei? Oder wenigstens gesagt, dass sie bald wieder zurück nach England reisen würde?
Ärgerlich, aber mehr auf sich selbst als auf Gerard, runzelte sie die Stirn. Im Grunde konnte er tun und lassen, was er wollte. Er war ihr zu keinerlei Rechenschaft verpflichtet. Selbst wenn er mit Zita flirten würde – was er nicht einmal tat, denn seit dem kurzen Intermezzo an ihrem Tisch hatte er sie keines Blickes mehr gewürdigt.
„Noch einen Kaffee zum Abschluss?“
Die Frage des Kellners riss Kit aus ihren Gedanken. „Sehr gerne“, sagte sie und nickte. Die Bühnenshow war beendet, und eine Tanzfläche wurde freigeräumt. Eine kleine Kapelle nahm Aufstellung und begann das erste Lied zu spielen. Einige Paare eilten aufs Parkett. Kit bemerkte, dass auch Zita sich erhob und jetzt mit einem großen dunkelhaarigen Mann auf ihren Tisch zusteuerte. Er sieht gut aus, stellte Kit nüchtern fest. Wahrscheinlich träumten nicht wenige Frauen davon, diesem Wüstenprinz in seinen Harem zu folgen.
„Darf ich euch Salem vorstellen?“ Zita hatte sich locker untergehakt bei dem
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