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Ein orientalisches Maerchen

Ein orientalisches Maerchen

Titel: Ein orientalisches Maerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Brooks
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behagte ihr das nicht. Diese großen und dunklen Augen – gehörten die wirklich ihr? Ich muss das wieder abwischen, schoss es ihr durch den Kopf. Und schon hatte sie ein Wattepad in der Hand.
    „Das lässt du mal schön bleiben“, drohte Colette lachend und stellte sich hinter Kit. „Du siehst wunderschön damit aus. Ich würde sogar noch …“, sie kniff die Augen zusammen und trat einen Schritt zurück, „… etwas Lippenstift auftragen. Hier, probier mal diesen. Der warme Pflaumenton passt gut zu dir.“
    Kit musste sich eingestehen, dass Colette damit recht hatte. „Hilfst du mir auch beim Outfit?“, fragte sie und drehte sich zu ihr um. Colette war bereits fertig zurechtgemacht und trug ein figurbetontes Abendkleid aus schwarzer Seide, in dem sie – wie Kit neidlos feststellte – einfach fantastisch aussah.
    „Was wolltest du denn anziehen? Hast du dir schon etwas ausgesucht?“
    „Ich dachte, das Kostüm dort, das taubengraue.“ Kit deutete auf ihr Bett.
    „Was, dieses unförmige Ding willst du anziehen?“ Colette fiel aus allen Wolken. „Und das, wo du so eine Traumfigur hast?“
    „Aber Gerard sagte doch, dass Frauen in der Öffentlichkeit nicht …
    „Sich nicht allzu freizügig kleiden sollen?“, unterbrach Colette sie. „Nun, da hat er ja auch nicht unrecht. Aber heute Abend sind wir in männlicher Begleitung, und in einer großen Stadt wie Marrakesch sehen viele das nicht mehr ganz so eng. Außerdem finde ich, Grau ist keine Farbe für dich. Rot, zum Beispiel, bringt den wunderbaren Schimmer deiner Haare viel besser zur Geltung. Und deshalb ziehst du am besten das hier an“, sagte sie und hielt Kit ein Kleid hin. „Aber beeil dich, es ist gleich sieben.“
    Das Modell war aus dunkelrotem Samt, ziemlich kurz und hatte einen Ausschnitt, den Kit als gewagt bezeichnete. Sie hätte nicht gedacht, so etwas überhaupt tragen zu können. Aber als sie vor dem Spiegel in ihrem Zimmer stand, wollte sie ihren Augen kaum trauen. Die Frau, die ihr entgegenblickte, wirkte zart und gleichzeitig unwahrscheinlich weiblich. Und das Kleid stand ihr. Definitiv.
    Das fand auch Colette, als sie mit einem Paar filigraner Kreolen wiederkam, die sie schnell aus ihrem Zimmer geholt hatte. „Los, ein bisschen Schmuck gehört dazu. Gerade die Kreolen hängen anmutig am Ohr und funkeln und schillern mit jeder Bewegung.“ Dann trat sie einen Schritt zurück. „Du siehst umwerfend aus. Gerard wird Augen machen.“
    „Colette!“, rief sie in gespielter Entrüstung, aber dann musste sie lachen. Die andere Aufmachung verlieh ihr ungekannte Energie. Sie konnte es sich selbst nicht erklären, doch sie freute sich schon jetzt auf Gerards Gesicht. Malte sich aus, wie er reagieren würde. Was, wenn er ihren Auftritt heute Abend bewunderte? Wenn er sie für immer so im Gedächtnis behalten würde? Natürlich war das ein Wunschtraum. Sie würde bald abreisen und ihn dann wohl nie wiedersehen. Wenn er aber hin und wieder ein ganz klein wenig an sie denken würde, dann …
    „Na los, komm“, riss Colette sie auf ihre fröhliche Art aus den Gedanken und hakte sich bei Kit ein. „Die beiden warten unten bestimmt schon auf uns.“
    Das taten sie wirklich.
    „Hallo“, sagte Kit und beobachtete, wie Gerard zuerst den Mund öffnete, als wolle er etwas sagen. Und ihn dann wieder schloss, als hätte es ihm die Sprache verschlagen. Dafür sprachen seine funkelnden Augen Bände. Ihr blieb fast das Herz stehen, als sich ihre Blicke begegneten. Verlegen schaute sie zur Seite, weil ihr ganz heiß wurde. Am liebsten wäre sie wieder nach oben gelaufen und hätte das rote Kleid gegen das taubengraue ausgetauscht. Denn hier ging es um sehr viel mehr, als sie sich vorhin ausgemalt hatte. Hier ging es nicht darum, einen bleibenden Eindruck bei ihm zu hinterlassen, hier ging es darum, dass er sie begehrte, dass sie sich der Situation nicht …
    „Kit.“ Sie wagte kaum, ihn anzusehen. „Du siehst … Mon Dieu, einfach wunderschön aus.“
    „Hab ich’s dir nicht gesagt, Kit! Meinem Bruder fallen die Augen aus dem Kopf“, sagte Colette und strahlte triumphierend über das ganze Gesicht, während Claude etwas verlegen danebenstand und offenbar darauf wartete, dass Gerard ihn und Kit miteinander bekannt machte.
    Doch der hatte nur noch Augen für Kit, reichte ihr den Arm, als gäbe es nur sie beide, bis Colette ihn dezent anstupste und er wieder zur Besinnung kam. „Claude, kannst du mir noch einmal verzeihen?“, entschuldigte er

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