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Ein Ort für die Ewigkeit

Ein Ort für die Ewigkeit

Titel: Ein Ort für die Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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merkwürdige Kreuzung aus Nebelkrähen und Elstern aussahen. Hinter den Rechtsanwälten der Stab der ihnen zuarbeitenden Anwälte und Schreibkräfte, dahinter dann die prachtvolle, mächtige Anklagebank, wo Hawkin mit zwei Polizisten an seiner Seite saß, ganz klein vor der Holzbank und sicher durch eine Reihe Eisenspitzen an seinem Platz festgehalten. Hinter Hawkin waren die Bänke für die Presseleute mit ihrer Mischung eifriger junger Journalisten, die verzweifelt versuchten, sich zu profilieren, und mit den alten Hasen, die das Gefühl brauchten, sie hätten alles schon einmal gesehen und gehört. Don Smarts fuchsrotes Haar stach unter ihnen wie ein Feuerbrand heraus. Über und hinter den Journalisten kam die Zuschauergalerie, dicht gedrängt die besorgten Gesichter aus Scardale und die lüsternen Blicke der anderen Leute.
    Und auf der einen Seite, jenseits des Zeugenstands, würden bald die wichtigsten Leute im ganzen Saal Platz nehmen: die Geschworenen, zwölf Männer und Frauen, die Philip Hawkins Schicksal in ihren Händen halten würden. George versuchte, nicht an die Möglichkeit zu denken, daß sie die Anklage zurückweisen könnten, an der er zusammen mit den Anwälten so hart gearbeitet hatte, aber er konnte die quälende Angst nicht loswerden, die sich nachts, wenn er zu schlafen versuchte und oft kläglich scheiterte, in ihm regte. Er seufzte und warf die Zigarettenkippe auf die Straße. Er fragte sich, wo Tommy Clough war. Sie hatten sich eigentlich um acht Uhr auf der Polizeiwache treffen wollen, aber als George hinkam, hatte Bob Lucas ihm gesagt, Clough habe eine Nachricht hinterlassen, er würde ihn im Gericht treffen. »Wahrscheinlich ist er unten in Derby hinter einem Weibsstück her«, sagte Lucas augenzwinkernd. »Versucht, sich vom Prozeß abzulenken.«
    George zündete sich eine neue Zigarette an und lehnte sich auf das Fenstersims. Jetzt würde der Gerichtsdiener des Bezirksgerichts all jene auffordern, deren Angelegenheiten vor den Richtern der Königin im Hohen Gericht verhandelt werden sollten, heranzutreten und aufzumerken. Gott schütze die Königin. Er erinnerte sich, daß er die merkwürdig pompösen Ausdrücke nachgeschlagen hatte, als er sich in jungen Jahren für die Rechtswissenschaft begeistert hatte.
    Philip Hawkins Fall würde als einziger Mordprozeß der Bezirksgerichtstage als erstes verhandelt werden. Zwei Tage zuvor hatte George ein letztes Mal versucht, Hawkin zu einem Geständnis zu überreden. Er hatte ihn hinter den hohen Mauern des Gefängnisses besucht, wo sie sich in einem winzigen Besuchsraum, der nicht appetitlicher als die Zellen selbst war, gegenübersaßen. Der Grundsatz, daß ein Mensch als unschuldig betrachtet werden muß, bis seine Schuld erwiesen ist, wurde in einem Gefängnis nie lange eingehalten; George wußte, daß Hawkin hinter Gittern sein Verhalten bestimmt schon hier und da mit gleicher Münze heimgezahlt worden war. Die Aufseher beeilten sich nicht besonders, einzugreifen, wenn einer, der vergewaltigt hatte, angegriffen wurde. Und sie sorgten immer dafür, daß die anderen Gefangenen genau wußten, wer die Kinderschänder waren. Während der zivilisierte Mensch in George Einspruch dagegen erhob, fand der werdende Vater das ganz in Ordnung.
    Sie hatten sich über den schmalen Tisch hinweg angesehen. »Haben Sie Zigaretten mitgebracht?« fragte Hawkin.
    Schweigend legte George eine offene Packung Gold Leaf zwischen sie. Hawkin schnappte sich gierig eine, und George gab ihm Feuer. Hawkin zog den Rauch ein, und sein Körper entspannte sich. Er fuhr sich mit der Hand übers Haar und sagte: »Ich werde in ein paar Tagen draußen sein. Sie wissen das doch? Mein Anwalt wird der Welt sagen, was für ein verlogenes Pack ihr Kerle seid. Sie wissen, ich habe Alison nicht umgebracht, und ich werde Sie dazu bringen, daß Sie jedes einzelne Wort zurücknehmen müssen.«
    George schüttelte den Kopf; fast bewunderte er den Starrsinn des Mannes. »Sie pfeifen im Wald, um sich Mut zu machen, Hawkin«, sagte er absichtlich herablassend. »Wie sehr Sie der Welt auch das Gegenteil einzureden versuchen, ich bin ein ehrlicher Polizist. Sie wissen es, und ich weiß, daß niemand Ihnen etwas angehängt hat. Niemand brauchte das zu tun, weil Sie Alison umgebracht haben, und wir haben Sie erwischt.«
    »Ich hab sie nicht umgebracht«, sagte er, und seine Stimme war so eindringlich wie sein Blick. »Sie haben mich hier einsperren lassen, und wer immer Alison entführt hat,

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