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Ein Ort für die Ewigkeit

Ein Ort für die Ewigkeit

Titel: Ein Ort für die Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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glaubte. Peter Grundy hatte sie als eine Frau beschrieben, die ständig von dem verfolgt wurde, was hätte sein können.
    Durch Peter hatte sie auch ein paar dürre Fakten über Kathy Lomas’ Leben herausbekommen. Alisons Tante lebte jetzt allein. Ihr Mann Mike war vor fünf Jahren bei einem Unfall auf der Farm umgekommen, als ein wildgewordener Bulle ihn zu Tode getrampelt hatte. Ihr Sohn Derek hatte Scardale verlassen, um an die Universität Sheffield zu gehen, und war bei den Vereinten Nationen Spezialist für Bodenbeschaffenheit geworden. Kathy war jetzt Mitte Sechzig, hatte eine Herde Schafe in Scardale, spann die Schaffelle zu Wolle und verarbeitete sie dann auf einer Strickmaschine, die laut Peter Grundys Frau mehr Knöpfe als ein Raumschiff hatte, zu teuren Designerpullovern.
    Kathy und Ruth Carter waren Cousinen, weniger als ein Jahr auseinander, Blutsverwandte väterlicher- und mütterlicherseits. Sie waren Seite an Seite zu jungen Frauen herangewachsen und dann zu Müttern geworden, und Kathys Sohn Derek war nur drei Wochen nach Alison geboren worden. Die Familiengeschichten waren unauflöslich miteinander verwoben. Wenn Catherine nicht von Kathy erfahren konnte, was sie wissen wollte, dann würde sie es wahrscheinlich irgendwo anders auch nicht erfahren. Und wenn Kathy so schwierig war, wie George vorausgesagt hatte, dann würde sie diese Frau mit dem größtmöglichen Geschick behandeln müssen.
    Catherine fuhr vor Lark Cottage vor, dem Haus aus dem achtzehnten Jahrhundert, in dem Kathy ununterbrochen seit ihrer Heirat – neunzehn Jahre vor Alisons Verschwinden – gewohnt hatte. Die Frau, die die Tür öffnete, war noch kräftig, und ihr stahlgraues Haar hatte sie zu einem Knoten hochgesteckt. Zusammen mit den rauhen roten Wangen ließ er sie aussehen wie Mrs. Bunn, die Bäckersfrau aus Happy Families. Nur ihre Augen widersprachen dieser jovialen Erscheinung. Sie waren kühl und distanziert und gaben Catherine das Gefühl, sie werde kritisch beurteilt und in mehr als nur materieller Hinsicht bewertet. »Sie sind also die Schriftstellerin«, begrüßte Kathy sie und nahm einen abgetragenen Anorak von einem Haken. »Sie werden wohl zuerst das Gutshaus sehen wollen, denke ich.« Ihr Ton ließ keinen Spielraum für eine andere Möglichkeit.
    »Das wäre sehr schön, Mrs. Lomas«, sagte Catherine und ging neben der älteren Frau her, als sie einen Teil der Dorfwiese überquerte und auf das Gutshaus zusteuerte. »Ich bin Ihnen wirklich dankbar, daß Sie mir Ihre Zeit opfern.« Innerlich verfluchte sie sich für diese Überschwenglichkeit.
    »Für Sie opfere ich sie nicht«, erwiderte Kathy knapp. »Ich tue es wegen Alisons Andenken. Ich denke oft an unsere Alison. Sie war ein großartiges Mädchen. Ich stelle mir ihr Leben vor, wenn es anders gelaufen wäre. Ich sehe sie vor mir, wie sie mit Kindern arbeitet, als Lehrerin oder Ärztin. Etwas Positives, Nützliches. Und dann denke ich an die Wirklichkeit.« Sie blieb an der Tür des Gutshauses stehen und starrte Catherine düster an.
    »Wenn ich die Zeit zurückdrehen und eine Sache in meinem ganzen Leben ändern könnte, wäre es der Mittwoch abend damals«, sagte sie bitter. »Ich würde Alison nicht aus den Augen lassen. Es hat keinen Sinn, sich zu sagen, ich sollte mir keine Vorwürfe machen. Ich weiß, daß Ruth Carter mit der Frage ins Grab gegangen ist, wie sie die Dinge hätte ändern können, und bei mir wird es genauso sein, wenn ich an der Reihe bin.
    Ich bin voller Selbstvorwürfe in diesen Tagen. Wie sagt man? ›Wenn das Wörtchen wenn nicht wär …‹ Na ja, ich habe genug Jahre hinter mir, in denen ich die Dinge, die nicht getan und nicht gesagt wurden, bereuen konnte. Das Problem ist nur, der einzige Ort, wo ich den Leuten, die ins Gewicht fallen, sagen kann, es tut mir leid, ist der Friedhof. Und deshalb bin ich bereit, mit Ihnen zu reden, Miss Heathcote.«
    Sie nahm einen Schlüssel aus der Tasche, schloß die Tür auf, und führte Catherine in die Küche. Geld hatte augenscheinlich bei der Renovierung keine Rolle gespielt. Die Anrichten und Kiefernschränke waren echte Antiquitäten und nicht moderne Nachbildungen. Die Arbeitsflächen waren zum Teil aus Marmor, zum Teil aus versiegeltem Holz. Außer einem dunkelgrünen, großen Herd gab es auch eine zweitürige Kombination aus Kühlschrank und Gefriertruhe im amerikanischen Stil und eine Spülmaschine. Catherine blickte auf den kleinen Stoß Zeitungen auf der einen Seite des

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