Ein Ort für die Ewigkeit
Küchentischs. Die oberste war von vorgestern. Janis Wainwright war also noch nicht lange weg, dachte sie. Trotzdem verströmte die Küche die Atmosphäre eines schon länger nicht bewohnten Raums.
»Ich wette, so war es 1963 nicht«, sagte sie trocken.
Endlich lächelte Kathy Lomas. »Da haben Sie nicht unrecht.«
»Vielleicht könnten Sie mir erzählen, wie es damals aussah?«
»Ich glaube, ich mache uns vorher eine Tasse Tee«, wich Kathy aus.
»Ich bin dankbar, daß Ms. Wainwright mir erlaubt, das Haus zu besichtigen. Sie wissen, daß ihre Schwester mit George Bennetts Sohn verlobt ist?«
»Ja, die Welt ist klein, das stimmt.« Sie füllte den Wasserkocher.
»Ich habe Helen in Brüssel kennengelernt«, fuhr Catherine fort. »Eine nette Frau. Schade, daß ihre Schwester nicht hier ist.«
»Sie ist viel weg. Ich glaube, sie hätte nicht gern mit einem Buch über Mord zu tun«, sagte Kathy ablehnend und stellte laut zwei Becher aus einem Küchenschrank auf die Arbeitsfläche.
Catherine trat an das Fenster, das auf die Dorfwiese hinausging. Sie stellte sich die Stunden vor, die Ruth Carter damit verbracht haben mochte, angestrengt zu horchen, ob sie nicht die Schritte ihrer Tochter hörte, die sich dem Haus näherten.
Als lese sie ihre Gedanken, begann Kathy zu reden. »Etwas in mir ist versteinert, als ich diese Polizisten damals auf der Dorfwiese habe herumlaufen sehen. Wenn ich jemals Gefahr liefe, es zu vergessen, wären die Alpträume Erinnerung genug. Ich kann immer noch keine Polizeiuniform im Dorf sehen, ohne daß mir schlecht wird.«
Sie wandte sich wieder dem Tee zu. »Er hat alles verändert, dieser Abend, nicht wahr?« fragte Catherine und schaltete heimlich den Kassettenrecorder in ihrer Manteltasche an.
»Ja, das hat er getan. Ich bin nur froh, daß wir so einen Polizisten wie George Bennett auf unserer Seite hatten. Wäre er nicht gewesen, dann wäre der Scheißkerl Hawkin vielleicht davongekommen. Das ist der andere Grund, warum ich mit Ihnen reden will. Es ist an der Zeit, daß George Bennett die Anerkennung bekommt, die ihm für das zusteht, was er für Alison getan hat.«
»Sie scheinen eine der wenigen in Scardale zu sein, die das finden. Die meisten Ihrer Verwandten sehen es nicht so. Außer Janet Carter und Charlie in London haben sich alle geweigert, mit mir zu sprechen«, bemerkte Catherine und hoffte immer noch, sie könnte Kathys Hilfe gewinnen, ihnen die Zungen zu lösen.
»Na ja, das ist ihre Sache. Sie werden ihre Gründe dafür haben. Ich kann nicht sagen, daß ich sie dafür kritisiere, daß sie nicht alles wieder aufrühren wollen. Es gibt keine guten Erinnerungen für uns alle an diese Zeit.« Sie goß Tee aus einem Steinguttopf in zwei zueinander passende Becher. »Also gut. Sie wollen wissen, wie das Haus damals aussah?«
Sie verbrachten eine Stunde damit, von Raum zu Raum zu gehen, Kathy beschrieb dabei ausführlich die Möbel und die Einrichtung, und Catherine versuchte in ihrer Vorstellung alles zum Leben zu erwecken. Sie war überrascht, nichts Unheilvolles zu verspüren, als Kathy mit ihr durchs Haus ging. Catherine hatte sich vorgestellt, daß die Ereignisse, die zu Alison Carters Tod geführt hatten, irgendwie in die Wände von Scardale Manor eingedrungen sein müßten und ihre gespenstische Gegenwart wie Staubwölkchen hinterlassen hätten. Aber es war nichts davon zu spüren. Einfach ein phantasievoll renoviertes altes Haus, das trotz der beträchtlichen Mittel, die man dafür ausgegeben hatte, niemals besonders nobel wirken würde. Sogar dem Nebengebäude, das Philip Hawkin als Dunkelkammer genutzt hatte, fehlte jegliche besondere Atmosphäre. Jetzt war es einfach ein Schuppen für Gartengeräte und alte Möbel, nicht mehr und nicht weniger.
Trotzdem war diese Stunde für Catherine interessant, denn nun konnte sie ihre Kenntnis der Ereignisse vor einem konkreten Hintergrund ausbreiten. Sie sagte das zu Kathy Lomas, die die Tür hinter sich abschloß und Catherine ins Lark Cottage zurückführte, damit sie ihr eigentliches Interview machen konnten. »Ja, gut, es sollte schon alles stimmen«, sagte Kathy. »Also, was wollten Sie mich fragen?«
Letzten Endes fügte Kathys Aussage den Tatsachen, die sie von George erfahren hatte, kaum etwas hinzu. Der Wert lag hauptsächlich in der intimen Kenntnis, mit der die ältere Frau die Personen betrachtete. Als der Nachmittag zu Ende ging, hatte Catherine das Gefühl, sie sei endlich Ruth Carter und Philip Hawkin nah
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