Ein Ort für die Ewigkeit
Catherine«, sagte sie und versuchte, ihrer Stimme die Energie zu geben, die sie leider gerade nicht spürte.
»Hi! Wie lebt sich’s in der Pampa?«
»Wenn die Sonne scheint wie heute, würde ich nicht mit London tauschen.«
»Also, ich kann’s kaum erwarten, bis du zurück bist. Es ist ein absolutes Irrenhaus hier. Du wirst nie erraten, was Rupert mit der Weihnachtsausgabe machen will …«
»Nicht jetzt, Bev«, sagte Catherine bestimmt. »Ich habe etwas Dringendes für dich. Ich brauche jemanden, der auf Alterungsprozesse durch Computersimulation spezialisiert ist. Am besten jemand hier oben in dieser Gegend.«
»Hört sich interessant an.«
Zwanzig Minuten später rief Beverly mit der Nummer eines Mannes zurück, der Rob Kershaw hieß und an der Universität Manchester tätig war.
Catherine sah auf ihre Uhr. Es war fast vier. Wenn Rob Kershaw sich nicht in irgendeiner Stadt im Ausland dem Streß des Lebens entzog, gab es die Möglichkeit, daß er noch bei der Arbeit war. Einen Anruf war es wert, überlegte sie.
Der Hörer wurde nach dem dritten Klingeln abgehoben. »Rob Kershaws Apparat«, sagte eine Frauenstimme.
»Ist Rob da?«
»Tut mir leid, er ist im Urlaub. Er ist am vierundzwanzigsten wieder zurück.«
Catherine seufzte.
»Kann ich etwas ausrichten?« fragte die Frau.
»Danke, aber das hat keinen Sinn.«
»Ist es etwas, wobei ich Ihnen helfen kann? Ich bin Robs Assistentin, Tricia Harris.«
Catherine zögerte. Dann erinnerte sie sich, daß sie nichts zu verlieren hatte. »Können Sie computersimulierte Alterung von Fotos machen?«
»O ja, das ist meine Spezialität.«
Innerhalb von Minuten kamen sie miteinander ins Geschäft. Tricia hatte nichts Dringenderes als einen Abend vor dem Fernseher geplant und litt wie alle Doktoranden an chronischer Geldnot. Als Catherine sie erst einmal mit einem beträchtlichen Honorar gelockt hatte, war sie nur allzu bereit, an ihrem Arbeitsplatz zu bleiben, während Catherine mit ihren Fotos von Philip Hawkins Stieftochter hinfuhr.
Als sie dort ankam, scannte Tricia die zwei Bilder sachkundig ein, stellte ein paar Fragen und begann dann die Arbeit mit Tastatur und Maus. Catherine ließ sie in Ruhe, da sie wußte, wie sehr sie selbst es haßte, wenn man ihr bei der Arbeit über die Schulter schaute. Sie zog sich ans andere Ende des Büros zurück, wo das Fenster offen war und sie ihre fünfte Marlboro Light anzünden konnte. Sie würde das Rauchen morgen wieder aufgeben, dachte sie. Oder wann immer sie herausfinden würde, was los war, verdammt noch mal.
Nach etwa einer Stunde und drei weiteren Zigaretten rief Tricia sie zu sich herüber. Sie nahm drei DIN -A4-Blätter aus dem Drucker und legte sie vor Catherine hin. »Auf der linken Seite ist das sogenannte Bestfall-Szenario«, sagte sie. »Wenig Stress, gute Ernährung und Pflege, vielleicht sieben Pfund über dem Idealgewicht. Das in der Mitte ist in mancherlei Hinsicht typischer, mehr Stress, nicht ganz soviel Aufwand für das gute Aussehen, genau richtig, was das Gewicht betrifft. Das dritte entspricht dem, wie niemand sein will. Sie hat ein schweres Leben gehabt, ist schlecht ernährt, raucht zuviel, sehr schlecht für die Falten und Fältchen, wissen Sie«, fügte sie mit einem schlauen Lächeln hinzu. »Sie ist ein bißchen untergewichtig.«
Catherine streckte einen Finger aus und zog das mittlere der drei Fotos zu sich heran. Von der Haarfarbe abgesehen, hätte es ein Foto der Frau sein können, die die Tür von Scardale Manor geöffnet hatte. Janis Wainwrights Haar war silbrig gewesen mit einem Hauch blond. Alison Carter, mit Hilfe des Computers gealtert, war noch goldblond und hatte nur ein paar graue Strähnen an den Schläfen. »Erstaunlich«, sagte Catherine leise.
»Hatten Sie das erwartet?« fragte Tricia. Catherine erzählte ihr fast nichts, sagte nur, sie arbeite an einem Artikel über eine vermißte Erbin, die aufgetaucht sei, um Ansprüche auf eine Erbschaft anzumelden.
»Es bestätigt, was ich befürchtet habe«, sagte Catherine. »Eine Frau läuft herum, die nicht diejenige ist, die sie zu sein behauptet.«
Tricia verzog das Gesicht. »Pech.«
»O nein«, sagte Catherine und fühlte, wie die Erregung sie ergriff. »Gar kein Pech. Ganz im Gegenteil.«
3
August 1998
A ls sie sich von der Universität Manchester entfernte, spürte Catherine das warme Prickeln, das immer dann in ihr hochstieg, wenn sie kurz vor einer ganz großen Story stand. Sie war so aufgeregt, daß sie
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