Ein Ort für die Ewigkeit
Autos gestern den ganzen Tag und Abend über rein- und rausgefahren sind.«
»Scheiße«, sagte George.
Tommy Clough hatte einen großen Becher Tee vor sich und rauchte, als George im Einsatzzentrum ankam. »Morgen, Sir«, sagte er und stand erst gar nicht auf.
»Sie sind immer noch da?« fragte George. »Sie können jetzt Feierabend machen, wenn Sie wollen. Sie müssen doch erschöpft sein.«
»Nicht schlimmer als Sie gestern, Sir, und wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich lieber bleiben. Heute ist meine letzte Nachtschicht, da sollte ich mich sowieso wieder an die normale Schlafenszeit gewöhnen. Wenn Sie die Leute aus dem Dorf befragen, könnte ich vielleicht dabei helfen. Ich hab die meisten davon bereits gesehen und schon einiges an Hintergrundwissen gesammelt.«
George dachte einen Moment nach. Cloughs normalerweise rotes Gesicht war blasser als sonst, die Haut um die Augen etwas geschwollen. Aber seine Augen blickten noch wach, und er hatte einige Kenntnisse der Verhältnisse im Dorf, die George fehlten. Außerdem war es an der Zeit, daß George mit einem seiner drei Sergeants eine gut funktionierende, partnerschaftliche Beziehung aufbaute, die nicht nur an der Oberfläche blieb. »Also gut. Aber sobald Sie zu gähnen anfangen, wenn jemand seine Lebensgeschichte vor uns ausbreitet, schicke ich Sie sofort heim.«
»Geht in Ordnung, Sir. Wo wollen Sie anfangen?«
George ging zu einem der Tische hinüber und zog einen Stoß Papiere zu sich heran. »Eine Karte. Wer wo wohnt und wer wer ist. Da will ich anfangen.«
George kratzte sich am Kopf. »Sie wissen wohl nicht, wie sie alle verwandt sind?« fragte er und starrte die Skizze an, die Tommy Clough für ihn gezeichnet hatte.
»Da blicke ich nicht durch«, gab er zu. »Außer den paar Dingen, die offensichtlich sind, zum Beispiel, daß Charlie Lomas Terrys und Dianes Jüngster ist. Mike Lomas ist der Älteste von Robert und Christine. Dann gibt es Jack, der bei ihnen wohnt, und sie haben zwei Töchter – Denise, verheiratet mit Brian Carter, und Angela, die einen Kleinbauern drüben in der Gegend um Three Shires Head geheiratet hat.«
George hielt abwehrend die Hand hoch. »Das reicht«, rief er. »Da Sie offensichtlich ein Naturtalent für so was sind, werden Ihnen ab jetzt alle verwandtschaftlichen Angelegenheiten von Scardale unterstellt. Sie können mich darüber informieren, wer wohin gehört, wann und wo immer ich es wissen muß. Im Moment interessiert mich nur, von wem Alison Carter abstammt.«
Tommy schaute gen Himmel, als versuche er, sich den ganzen Familienstammbaum vorzustellen. »Okay. Lassen wir Cousins und Cousinen ersten, zweiten und dritten Grades mal weg. Ich halte mich an die Hauptlinien der Verwandtschaft. Irgendwie ist Ma Lomas ihre Urgroßmutter. Ihr Vater, Roy Carter, war Davids und Rays Bruder. Mütterlicherseits war sie eine Crowther. Ruth ist Daniels Schwester und zugleich die von Terry Lomas’ Frau, Diane.« Clough zeigte auf die entsprechenden Häuser auf der Skizze. »Aber sie sind alle miteinander verwandt.«
»Hin und wieder muß auch mal frisches Blut dabeisein«, warf George ein. »Sonst wären sie alle Dorftrottel.«
»Es gibt einen oder zwei, die von außen dazugestoßen sind, um die Mischung ein bißchen zu verdünnen. Cathleen Lomas, Jacks Frau, ist ein Mädchen aus Longnor. Und John Lomas hat eine Frau von drüben aus der Gegend von Bakewell geheiratet. Sie war gerade lange genug hier, um Amy zu bekommen, dann hat sie sich irgendwohin abgesetzt, wo sie
Coronation Street
sehen und mal was trinken gehen konnte, ohne daß dafür eine Staatsaktion erforderlich ist. Und dann natürlich Philip Hawkin.«
»Ja, den Squire dürfen wir nicht vergessen«, sagte George nachdenklich. Er seufzte und stand auf. »Es wäre nicht schlecht, ein bißchen mehr über ihn herauszufinden. St. Albans, da kommt er her, oder?« Er nahm sein Notizbuch heraus und schrieb sich etwas auf. »Lassen Sie mich nicht vergessen, dem nachzugehen. Kommen Sie, Tommy. Probieren wir’s noch mal in Scardale.«
Brian Carter wischte die Zitzen der nächsten Kuh in der Reihe ab und brachte mit überraschender Behutsamkeit die Melkmaschine an ihrem Euter an. Es waren noch mehrere Stunden bis zur Dämmerung, als er sein warmes Bett verlassen hatte, in dem er mit seiner ihm noch nicht lange angetrauten Frau Denise im Bankside Cottage lag, dem kleinen Haus mit drei Zimmern, wo 1950 Alison Carter an einem regnerischen Abend geboren worden war.
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