Ein Ort für die Ewigkeit
antwortete sie gereizt.
»Ich versuche ja, zu verstehen. Aber den Leuten in Scardale scheint es wichtiger zu sein, mich zu behindern, statt mich zu unterstützen. Ich habe gerade mit Ihrem Enkelsohn die Erfahrung gemacht, daß er mir etwas verschwiegen hat, das ein wichtiges Verdachtsmoment sein könnte.«
»Das ist nicht überraschend, wenn man sich anschaut, wie Sie den Jungen behandelt haben. Wieso hatte keiner von Ihnen genug Verstand, zu fragen, ob er überhaupt etwas damit zu tun haben konnte, daß Alison plötzlich weg war? Er konnte nämlich nichts damit zu tun haben. Als sie verschwunden ist, war er hier im Haus bei mir. Das nennt man doch ein Alibi, oder?« fragte sie höhnisch.
»Sind Sie da sicher?« fragte George skeptisch.
»Ich bin zwar alt, aber ich hab schon noch alle Tassen im Schrank. Charlie ist kurz vor halb fünf reingekommen und hat angefangen, Kartoffeln zu schälen. Ich kann das nicht mehr mit meiner Arthritis, deshalb muß er es machen. Jeden Abend dasselbe. Er hat sich nicht mit Alison herumgetrieben, er war hier und hat sich um mich gekümmert.«
George holte tief Luft. »Es hätte viel Zeit gespart, wenn entweder Sie oder Charlie es für nötig gehalten hätten, uns das zu sagen. Mrs. Lomas, in Fällen, wo es um vermißte Kinder geht, sind die ersten achtundvierzig Stunden ausschlaggebend. Diese Zeit ist fast verstrichen, und wir sind noch genausoweit davon entfernt wie am Anfang, das junge Mädchen zu finden, das mit Ihnen verwandt ist.« George war so frustriert, daß er immer lauter sprach. »Mrs. Lomas, ich schwöre, ich werde Alison Carter finden. Früher oder später werde ich herausfinden, was hier vor zwei Tagen geschehen ist. Und wenn ich jedes Haus im Dorf vom Dachfirst bis zum Fundament durchsuchen muß, ich werde es tun. Wenn ich jedes Feld und jeden Garten im Tal umgraben lassen muß, wir werden es tun, und zum Teufel mit eurer Ernte und eurem Vieh. Wenn ich euch alle verhaften und euch Behinderung der Ermittlungen oder sogar Begünstigung zur Last legen muß, ich werde es tun.« Er hielt unvermittelt inne und beugte sich vor. »Sagen Sie mir also: Glauben Sie, daß Peter Crowther etwas mit Alisons Verschwinden zu tun hatte?«
Sie schüttelte ungeduldig den Kopf. »Soviel ich weiß – und glauben Sie mir, ich weiß das meiste, was in Scardale los ist –, war Peter seit Kriegsende nicht mehr in diesem Tal. Ich glaube, er weiß nicht einmal, daß es Alison gibt. Und ich würde auf die Bibel schwören, daß sie nie seinen Namen gehört hat.« Sie preßte die Lippen so fest aufeinander, daß Nase und Kinn sich einander wie die Schenkel eines Greifzirkels näherten.
»Wir wissen es nicht mit Sicherheit. Das Mädchen ist in Buxton zur Schule gegangen. Sie sieht aus wie ihre Mutter. Vergessen Sie nicht, Mrs. Hawkin war ungefähr genauso alt wie Alison jetzt, als ihr Bruder zuletzt viel mit ihr zusammen war. Bei jemand, der ein bißchen schwach im Oberstübchen ist, könnten allerhand Erinnerungen hochgekommen sein, wenn er Alison auf der Straße gesehen hätte.«
Ma Lomas verschränkte die Arme fest vor der Brust und schüttelte heftig den Kopf, während George sprach. »Ich glaub’s nicht, wirklich nicht«, sagte sie.
»Sollten wir also Peter Crowther vernehmen, Mrs. Lomas?« fragte George, und seine Stimme wurde jetzt angesichts ihres offensichtlichen Kummers wieder freundlicher.
»Wenn er ins Tal gekommen wäre, hätten wir es alle gemerkt. Außerdem müßte er doch bei der Arbeit gewesen sein«, fügte sie verzweifelt hinzu.
»Sie haben mittwochs den Nachmittag frei. Er hätte hier sein können. Mrs. Lomas, was hat Peter Crowther getan, warum wurde er weggeschickt?«
»Das geht heute niemand mehr etwas an«, sagte sie energisch. Sie kniff jetzt die Augen zusammen, als wäre der Feuerschein die helle Mittagssonne.
»Ich muß es wissen«, beharrte George.
»Das müssen Sie nicht.«
Tommy Clough beugte sich, die Ellbogen auf die Knie gestützt, vor und ließ sein Notizbuch zwischen den Beinen baumeln. George beneidete ihn um seine Fähigkeit, locker zu wirken, selbst wenn die Stimmung bei einer Befragung so angespannt war wie jetzt. »Ich glaube, Peter Crowther könnte keiner Fliege etwas zuleide tun«, sagte er. »Leider bin ich nicht derjenige, der die Entscheidungen trifft. Ich glaube, es könnte eine Weile dauern, bis Peter wieder herauskommt. Eine Frau wie Sie, Mrs. Lomas, die nie außerhalb eines Tals in Derbyshire gelebt hat, kann nicht wissen, was
Weitere Kostenlose Bücher