Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Ort für die Ewigkeit

Ein Ort für die Ewigkeit

Titel: Ein Ort für die Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
alle in Scardale. Aber ich sage Ihnen, eine schreckliche Minute lang habe ich gedacht, es wäre das Mädchen. Ich habe öfter an sie gedacht, genau wie alle in der Gegend hier, nehme ich an.« Er zog eine Bruyèrepfeife aus seiner Westentasche und fing an, mit einem Taschenmesser darin herumzustochern. »Was für eine furchtbare Sache. Ihre arme Mutter muß halb verrückt sein vor Sorgen. Wir haben alle die Augen offengehalten, damit sie nicht etwa verletzt in einem Graben liegt oder sich in einer Scheune oder einem Schafstall versteckt hält. Da hab ich natürlich, als ich das gesehen habe … also, mein erster Gedanke war, daß es die kleine Alison sein muß.« Er hielt inne, um seine Pfeife zu stopfen, und gab George zum ersten Mal Gelegenheit zu sprechen.
    »Was ist denn genau passiert?« fragte er, erleichtert, daß er endlich mit einem Zeugen zu tun hatte, der eifrig all sein Wissen anzubieten schien. Nach nur drei Tagen in Scardale hatte er bereits eine ganz neue Wertschätzung für Geschwätzigkeit entwickelt.
    »Sobald ich das Tor öffnete, flitzte Sherpa davon, schnell wie ein Blitz an der Mauer entlang. Ich hab gleich gewußt, daß irgendwas nicht stimmt. Sie ist kein Hund, der voreilig Alarm schlägt, nicht ohne Grund. Da war sie das halbe Feld hinuntergerannt, dann läßt sie sich auf den Bauch fallen, als ob sie von einem Schuß getroffen wäre. Kopf unten zwischen den Vorderpfoten, und ich kann sie über das halbe Feld winseln hören. So wie sie es machen würde, wenn sie ein totes Mutterschaf findet. Aber ich hab gewußt, daß es kein Schaf war, weil das Feld jetzt leer ist. Ich habe nur das Tor aufgemacht, weil es eine Abkürzung zum unteren Teil ist.« Dearden führte ein Streichholz an die Pfeife und zog an ihr. Der Tabak roch gut und erfüllte die Luft mit dem Aroma von Kirschen und Gewürznelken. »Zünden Sie sich auch eine an, wenn Ihnen danach ist.« Er schob einen abgenutzten Beutel aus Öltuch über den Tisch. »Meine eigene Mischung.«
    »Nein, danke«, sagte George und nahm mit entschuldigender Miene seine Zigaretten heraus.
    »Ja, Sie werden bei Ihrer Arbeit keine Zeit haben für etwas Umständlicheres als Zigaretten. Trotzdem, Sie sollten sich mal überlegen, ob Sie nicht das Pfeifenrauchen anfangen wollen. Es ist wunderbar für die Konzentration. Wenn ich irgendwo bin, wo ich nicht rauchen kann, schaffe ich doch einfach das Kreuzworträtsel nicht.« Er zeigte mit dem Daumen auf den
Daily Telegraph
vom Tag vorher. George verkniff es sich, zu zeigen, wie beeindruckt er war. Es war ja bekannt, daß das Kreuzworträtsel im
Telegraph
leichter war als das der
Times
. Aber er wußte, es war nicht zu unterschätzen, wenn jemand es regelmäßig lösen konnte. Offensichtlich hatte Dennis Dearden nicht nur ein plapperndes Mundwerk, sondern auch einen klugen Kopf.
    »Als ich also gesehen habe, wie der Hund sich benimmt, schlug mir das Herz bis zum Hals«, fuhr Dearden fort. »Ich kenne nur eine Person, die vermißt wird, und das ist Alison. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, daß sie nur Minuten von meiner Haustür entfernt tot im Feld lag. So rannte ich hin, so schnell ich konnte, was jetzt nicht mehr sehr schnell ist. Ich schäme mich zu sagen, daß ich ziemlich erleichtert war, als ich gesehen hab, daß es Peter war.«
    »Sind Sie ganz nah an die Leiche herangegangen?« fragte George.
    »Das war nicht nötig. Ich konnte Peter ansehen, daß er nicht aufwachen würde, bevor die Posaunen des Jüngsten Gerichts blasen.« Er schüttelte betrübt den Kopf. »Der dumme Kerl. Von allen Nächten mußte er sich ausgerechnet so eine schlimme aussuchen und sich in den Kopf setzen, nach Scardale zurückzukehren. Er war zu lang vom Leben auf dem Land weg gewesen und hatte vergessen, wie so ein Wetter wie das gestern nacht die Menschen mitnehmen kann. Der Schneeregen durchnäßt einen bis auf die Haut. Wenn es dann aufklart und der Rauhreif herunterkommt, hat man keine Widerstandskraft. Man schleppt sich weiter, aber die Kälte geht durch bis auf die Knochen. Dann will man sich nur noch hinlegen und ewig schlafen. Das hat Peter letzte Nacht gemacht.« Er zog an seiner Pfeife und ließ eine Rauchfahne seitlich aus dem Mund entweichen. »Er hätte in Buxton bleiben sollen. In der Stadt konnte er sich schützen.«
    George preßte die Lippen fest auf seine Zigarette. Da konnte er es auch nicht mehr, dachte er. Peter Crowther hatte keine Wahl mehr. Seine schreckliche Angst, den zweiten Ort zu verlieren, an

Weitere Kostenlose Bücher