Ein Ort für die Ewigkeit
Vermieter mindestens vier Frauen ermordet hat, und es könnte also sein, daß er es war, der Beryl Evans umgebracht hat. Aber es ist zu spät, zu Timothy Evans zu gehen und zu sagen: ›Tut uns leid, Kumpel, wir haben Mist gebaut.‹«
George gestand ihm dies mit einem schwachen Lächeln zu. »Vielleicht. Aber ich kann für die schlechte Verfahrensweise und die Fehler anderer Leute keine Verantwortung übernehmen. Ich glaube, ich habe nie einen unschuldigen Mann zum Geständnis gedrängt, würde es auch nie tun, und ich bin willens, mich an meinen eigenen Ergebnissen messen zu lassen. Wenn Alison Carter ermordet worden ist, wie wir inzwischen wohl beide glauben, dann wäre ich zufrieden, den Mann, der das getan hat, am Galgen hängen zu sehen.«
»Vielleicht wird genau das eintreten, wenn der Scheißkerl eine Schußwaffe benutzt hat. Dafür kann man ihn noch hängen, vergessen Sie das nicht.«
George konnte keine Antwort darauf geben. Die Tür des Wohnwagens flog auf, und Peter Grundy stand in der Tür, sein Gesicht war blutleer und so grau wie die Felsen im Tal von Scardale. »Sie haben eine Leiche gefunden«, sagte er.
12
Samstag, 14. Dezember 1963, 8 Uhr 47
P eter Crowther lag zusammengekrümmt im Windschatten einer Trockenmauer drei Meilen Luftlinie nördlich von Scardale. Die Leiche war zusammengerollt wie ein Fötus, die Knie unters Kinn hochgezogen, die Arme um die Schienbeine geschlungen. Der Nachtfrost hatte die Straßen mit einem trügerischen weißen Zuckerguß aus Rauhreif bedeckt und ließ sie irgendwie harmlos aussehen. Aber der Tod war nicht zu verkennen.
Er war erkennbar an der blaugetönten Haut, den unbeweglich starrenden Augen, dem gefrorenen Speichel auf dem Kinn. George Bennett sah auf die äußere Hülle eines Menschen hinunter, und dieses Bewußtsein durchdrang ihn mit einer schärferen Kälte als das Wetter. Er sah zu dem wunderbar blauen Himmel auf und war merkwürdig überrascht, daß die Wintersonne schien, als habe sie etwas zu feiern. Bei ihm war das ganz bestimmt nicht der Fall. Er fühlte sich schlecht, sowohl im Gemüt als auch im Magen. Der bittere Geschmack der Verantwortung brannte in seinem Mund. Er hatte seine Arbeit nicht gut gemacht, und jetzt war ein Mann tot.
George senkte den Kopf, wandte sich ab und ließ Tommy Clough in der Hocke bei der Leiche sitzen, von wo er sie eine Minute lang musterte. Er ging übers Feld zum Tor, wo zwei Polizisten standen, um die Stelle abzuschirmen, bis der Pathologe kam. »Wer hat die Leiche gefunden?« fragte er.
»Der Farmer. Dennis Dearden ist sein Name. Na ja, genaugenommen war es sein Hund. Mr. Dearden kam gleich nach Tagesanbruch heraus, um nach seinem Vieh zu sehen, wie er es immer tut. Der Hund lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Toten«, sagte der ältere Polizist.
»Wo ist Mr. Dearden jetzt?« fragte George.
»Das ist seine Farm dort oben am Weg. Das kleine Haus.« Der Constable deutete auf ein einstöckiges Gebäude ein paar hundert Meter weiter.
»Ich werde dort sein, wenn mich jemand sprechen will.« George ging mit schweren Schritten und genauso schwerem Herzen den Weg hinauf. Er blieb an der Tür des Häuschens stehen, um sich zu fassen. Bevor er anklopfen konnte, ging die Tür auf, ein Gesicht wie ein verschrumpelter Apfel erschien, und kleine braune Augen sahen ihn an. Sie saßen wie Kerne zu beiden Seiten der Nase, die so formlos wie ein Sahneklecks war.
»Sie sind also der Boss«, sagte der Mann.
»Mr. Dearden?«
»Ja, Jungchen, sonst gibt’s hier niemand. Meine Frau ist zu Besuch bei ihrer Schwester in Bakewell. Sie besucht sie immer ein paar Tage im Dezember und kauft alles für Weihnachten auf dem Markt. Kommen Sie rein, Junge, Sie müssen frieren da draußen.« Dearden trat zurück und führte George in die Küche, die von blendendem Sonnenschein erfüllt war. Alles glänzte: Das Email am Herd, das Holz von Tisch, Stühlen und Regalen, der Chromkessel, die Glasgefäße in einem Schrank in der Ecke, sogar der Gasofen. »Setzen Sie sich dort ans Feuer«, fügte Dearden gastlich hinzu und schob George einen geschnitzten Stuhl hin. Er ließ sich steif und langsam auf einem Eßzimmerstuhl nieder und lächelte. »So ist es besser, oder? Sie müssen erst mal ein bißchen Wärme in die Knochen kriegen. Jesses, Sie sehen ja schlimmer aus als Peter Crowther.«
»Kannten Sie ihn?«
»Nicht persönlich. Aber ich wußte, wer er war. Ich habe im Lauf der Jahre geschäftlich mit Terry Lomas zu tun gehabt. Ich kenne
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