Ein Ort für die Ewigkeit
Sie haben schon öfter bei einem solchen Fall mitgearbeitet, Tommy? Nur Sackgassen und nichts als Frustration?«
»Ja, bei einem oder zwei«, gab Clough zu und rührte drei Löffel Zucker in seinen Tee. »Es ist eben so, Sir, Sie müssen sich einfach weiter abrackern. Es mag sich anfühlen, als rennen Sie mit dem Kopf gegen die Wand, aber oft ist die Wand nur aus angemalter Pappe, so daß sie echt aussieht. Der Durchbruch kommt meistens früher oder später. Und es ist noch früh, auch wenn es einem nicht so vorkommt.«
»Und was ist, wenn der Durchbruch nicht kommt? Was ist, wenn wir nie herausfinden, was Alison Carter zugestoßen ist? Was dann?« George blickte auf, und in seinen weit aufgerissenen Augen sah man die Furcht davor, was ein solches Versagen für ihn persönlich und beruflich bedeuten würde.
Clough holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. »Dann, Sir, gehen Sie weiter zum nächsten Fall. Sie gehen tanzen mit Ihrer Frau, Sie trinken ein Bier im Pub und versuchen, nachts nicht wach zu liegen und sich über Dinge aufzuregen, die Sie doch nicht ändern können.«
»Und ist das ein Rezept, das sich bewährt hat?« fragte George niedergeschlagen.
»Ich weiß nicht, Sir, ich habe keine Frau.« Cloughs ironisches Lächeln konnte die Überzeugung, die sie teilten, nicht beschönigen: Wenn sie Alison Carters Schicksal nicht aufdeckten, würden sie beide Narben davontragen.
»Meine ist schwanger.« Die Worte waren heraus, bevor George wußte, daß er sie sagen würde.
»Gratuliere.« Cloughs Stimme war merkwürdig tonlos. »Nicht der beste Moment für so eine Neuigkeit. Wie geht es Mrs. Bennett?«
»Bis jetzt ganz gut. Morgens wird ihr noch nicht schlecht. Ich hoffe nur … na ja, ich hoffe, daß ihr keine schwierige Zeit bevorsteht. Ich kann diese Ermittlung nicht zur Seite schieben, egal, wie lang sie dauert.« George schaute durch die beschlagenen Fenster des Wohnwagens hinaus und bemerkte nicht, wie der Himmel langsam heller wurde und einen weiteren Tag ankündigte, der mit Suchen ausgefüllt sein würde.
»Mit dieser Arbeitsweise geht es nicht allzu lange weiter, wissen Sie«, sagte Clough und erinnerte George an etwas, was er, der Jüngere, theoretisch wußte, aber womit er nicht viel praktische Erfahrung hatte. »Wenn wir sie nach zehn Tagen oder so nicht gefunden haben, sagen wir, bis nächstes Wochenende, dann hören wir auf zu suchen. Sie schließen das Einsatzzentrum und gehen nach Buxton zurück. Wir verfolgen nach wie vor weitere Hinweise, aber nach nicht viel längerer Zeit als einem Monat hat die Sache nur noch zweitrangige Priorität. Sie und ich, wir werden bis über die Ohren in anderen Fällen stecken, aber wir werden diesen hier nicht schließen. Es bleibt weiterhin ein ungelöster Fall, wir werden alle drei Monate oder so eine Überprüfung haben, aber wir werden nicht so intensiv daran arbeiten wie jetzt.«
»Ich weiß, Tommy, aber irgendwie ist es ein besonderer Fall. Ich habe an einem ungelösten Mordfall mitgearbeitet, als ich Detective Constable in Derby war, aber er ist mir nicht so unter die Haut gegangen. Vielleicht weil das Opfer über fünfzig war. Man hatte das Gefühl, er hatte ein Leben gehabt. Jetzt sieht es immer mehr so aus, als würden wir Alison nicht finden, und es macht mich so wütend, weil sie kaum angefangen hat zu leben. Selbst wenn sie nur in Scardale geblieben wäre und Kinder bekommen und Pullover gestrickt hätte, ist es ihr doch genommen worden, und ich will, daß das Gesetz dasselbe mit dem macht, der ihr das angetan hat. Ich bedauere nur, daß wir solche Bestien nicht mehr hängen.«
»Sie glauben also immer noch an den Tod durch den Strang?« fragte Clough und beugte sich auf dem Stuhl vor.
»Wenn es kaltblütiger Mord ist, ja. Wenn einer spontan tötet, ist es etwas anderes. Ich würde ihm nur lebenslänglich geben, genug Zeit, um zu bedauern, was er getan hat. Aber die Scheusale, die Kinder quälen, oder die Unmenschen, die einen unschuldigen Unbeteiligten umbringen, weil er bei einem Raub im Weg ist, ja, die würde ich hängen. Sie nicht?«
Clough ließ sich Zeit mit seiner Antwort. »Ich dachte das früher auch immer. Aber vor zwei Jahren las ich das Buch über Timothy Evans’ Fall,
Ten Rillington Place
. Bei seinem Prozeß glaubten alle, seine Schuld sei einwandfrei erwiesen. Er ermordete seine Frau und sein Kind. Die Jungs von der Metropolitan Police in London hatten sogar ein Geständnis von ihm. Dann kommt raus, daß Evans’
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