Ein Ort wie dieser
Junge. Er kannte alle möglichen Leute, vor allem Altkleiderhändler auf den Märkten und Freiwillige bei den Sammelstellen des Emmaus-Hilfswerks. Er hatte schnell einige Klamotten in gutem Zustand zusammen, die er in zwei große Müllsäcke stopfte. Als er bei Cécile klingelte, stieß er auf Madame Barrois, die lange brauchte, um zu verstehen, worum es ging.
»Ich schreibe Cécile eine Nachricht«, sagte Eloi schließlich und suchte in seinen zahlreichen Taschen nach einem Zettel.
Er fand nur einen gebrauchten Briefumschlag mit seiner Adresse. Da er nicht gern Papier verschwendete, schrieb er auf die Rückseite des Umschlage:
Guten Tag, Frau Lehrerin. Hier ein paar Sachen, um Ihre Negerkinder anzuziehen. Sie schulden mir nur unendliche Dankbarkeit. Mit freundlichen Grüßen, Eloi.
Da die Nachricht praktisch unlesbar war, brauchte Cécile an diesem Abend drei Anläufe, um sie zu entziffern. Der Umschlag mit der Adresse des jungen Mannes schien ihr eine versteckte Einladung zu sein. Ich gehe zu ihm, um mich zu bedanken, sagte sie sich, während sie zugleich daran zweifelte, den Mut dafür zu haben.
Gleich am nächsten Tag wurden die kleinen Baoulés alle mit warmer, bequemer Kleidung in ihrer jeweiligen Größe ausgestattet. Eloi hatte darauf geachtet, dass kein Logo zu sehen war, weshalb Alphonse, der gerne mit dem
Swoosh
von Nike oder den drei Adidas-Streifen angegeben hätte, ein bisschen bekümmert war. Aber das war nur ein kleiner Schatten auf dem Gesamtbild. Die Baoulé-Kinder strahlten vor Freude, und Leon taten die Füße nicht mehr weh.
»Außerdem schone ich sie«, sagte er Monsieur Montoriol, dem er seine schönen Sportschuhe zeigte. »Weil wir doch die Straßenbahn nehmen!«
Der Herr Direktor hatte sehr günstige Tarife für seine Schützlinge ausgehandelt, und der Verein zahlte die Rechnung. Georges empfing Clotilde, das älteste der Mädchen, und Alphonse, den ältesten der Jungen, in seinem Büro und überreichte ihnen die Fahrscheine.
»Das ist keine Barmherzigkeit aus Mitleid«, sagte er in der sehr erwachsenen Sprache, die er verwendete, wenn er zu seinen Schülern sprach. »Die Gesellschaft muss die Kinder schützen, versorgen und erziehen. Es ist eine Pflicht, die sie damit erfüllt, und es ist euer Recht.«
Wenn Alphonse jetzt mit dem Chor sang:
»Viel zu viele Kinder leiden noch viel Not
Haben eine Kindheit ohne Spiel’ und Brot
Sag, wie könnt ich sie befreien
Ihnen nehmen ihre Schmerzen?
Einfach ist der Weg: Folg nur deinem Herzen!«
hatte er keine Lust mehr, Blödsinn zu machen.
Kapitel 14 In dem Cécile ihr Weihnachtsgeschenk erhält
In der gesamten Schule wuchs die Aufregung. Monsieur Montoriol wollte, dass das Fest zu Weihnachten ein besonders gelungenes würde, als müsse man den Eltern etwas beweisen. Er hatte daher in einen gewaltigen Tannenbaum investiert, den die Kinder mit der Kunstlehrerin dekoriert hatten, dann hatte er wie gewöhnlich eine Bühne und Stühle geliehen, um die Kantine in einen Theatersaal zu verwandeln. Alle Lehrerinnen waren in einen Wettstreit verfallen. Chantal hatte ihre Schüler Gummistiefel anziehen lassen, damit sie tanzten, als würden sie durch Pfützen springen – mit Ausnahme des leichtfüßigen Jean-Daniel, der steppte. Der Kontrast war äußerst unterhaltsam. Am Ende des Balletts zog Donatienne ihre Stiefel aus und ging barfuß zu dem kleinen Tänzer, auch sie wie befreit von der Schwere. In dem Moment, in dem sie kurz davor waren, sich zu küssen, spannten alle anderen Drittklässler ihre Schirme auf, um sie vor den Blicken der Zuschauer zu verbergen.
Die Zweitklässler hingegen hatten ihre Eltern bestürmt, ein bisschen coolere Klamotten zu bekommen, Miniröcke und gestreifte Strumpfhosen für die Mädchen, Tanktops und Baggy Jeans für die Jungen, Glitzer im Haar für die einen, schön nach hinten gegelte Frisuren für die anderen. Die Mädchen verschworen sich ohne Melanie Mullers Wissen, um am Tag X die berüchtigten »unangebrachten« Gesten zu machen.
Im Chor wurde laut gesungen, richtig gesungen und gut artikuliert. Monsieur Montoriol hatte die Eltern gebeten, ihre Kinder »im Rahmen des Möglichen« schwarzweiß zu kleiden. Marie-Claude Acremant, die nicht ausgebootet werden wollte, hatte eine Waldkulisse aus Pappe für das Theaterstück gemalt. Omchen hatte Tag und Nacht geheimnisvolle Verkleidungen genäht, mit denen sie Cécile und ihre Schüler eines Nachmittags überraschte. Es waren Masken aus
Weitere Kostenlose Bücher