Ein Ort wie dieser
Kunstfaserfellresten. Omchen hatte Ohren daran genäht, die dank eines kleinen Saumdrahtes beweglich waren. Die Kinder zogen die Masken über und beklagten sich, die seien eng, die seien warm, die kratzten, die seien hässlich. Omchen tobte.
»Seht euch im Spiegel an«, sagte Cécile. »Ihr seid sehr hübsche Hasen.«
Es gab Erwachsenentoiletten, in denen man sich vor einem Spiegel neu frisieren konnte. Die Kinder drängelten sich, um ihr Spiegelbild zu sehen. Démor sah sich an und rief überrascht: »Man sieht gar nicht, dass ich mich als Baby verbrannt habe!«
Die Maske verbarg fast jede Spur seiner Narben. Sein Blick begegnete dem von Omchen, und der kleine Junge begriff, dass die alte Frau sich all die Mühe gemacht hatte, nur um dieses Ergebnis zu erreichen. Er lächelte sie an, und in die ausgetrockneten Augen von Omchen schossen die Tränen wie aus einer Wasserpistole.
»Ich pups vor Hitze!«, teilte Baptiste mit.
Cécile räumte die Masken weg. Die Kinder würden sie erst zur Aufführung anziehen, zusätzlich würden sie dann als Hasen geschminkt.
Das Fest war für den letzten Samstag vor den Weihnachtsferien vorgesehen, damit möglichst viele Eltern kommen konnten. Das war eine Gelegenheit für Cécile, mehr über die familiäre Situation der Kinder zu erfahren.
»Mein Papa, der kommt mit seiner Freundin, also deswegen kommt meine Mama dann nicht«, sagte Maeva.
»Mein Papa, der kommt nicht, weil ich nicht weiß, wo er ist«, sagte Philippine, als würde sie von einem unauffindbaren Strumpf reden.
Aber Mimi und Minette würden kommen, und ihnen würde ein Stuhl für zwei genügen.
»Meine Mama, die kommt nicht«, sagte Steven mit seiner gutmütigen lauten Stimme.
»Ist die tot?«, erkundigte sich Floriane, als sei das eine ganz natürliche Frage.
»Nein, aber die ist böse und darf sich nicht mehr um mich kümmern.«
»Oje, das ist Pech«, sagten die Kinder.
Audrey stürzte von einer Unsicherheit in die andere. Zunächst: »Mein Papa kann nicht kommen, weil er bei Fillmane arbeitet, und meine Mama, die kann auch nicht kommen, weil sie Samstag an der Kasse arbeitet.«
Dann: »Meine Mama, die kann vielleicht kommen, weil sie ihre Chefin nach Urlaub fragt.«
Dann: »Die Chefin, die sagt, am Samstag ist zu viel Arbeit, aber Papa, der bespricht das mit dem Herrn von Fillmane, ob es möglich ist, dass er kommt.«
Dann: »Papa, der kommt nicht, weil sein Chef nämlich gesagt hat, das ist vor Weihnachten gar nicht möglich.«
Eines Morgens schließlich kam Audrey schreiend über den Schulhof gerannt: »Madame, Madame, Mama kommt!«
Und diesmal war es sicher, weil Madame Cambon der Chefin gesagt hat, dass sie Samstag freinimmt, weil nämlich Kinder das Wichtigste sind.
»Hast du gehört? Ich sage jetzt ›kommt‹, ich sage nicht mehr ›tommt‹ wie als ich klein war«, sagte Audrey stolz.
Da Monsieur Montoriol die Eltern Cambon ernsthaft zusammengestaucht hatte, ging Audrey jetzt zum Logopäden und machte rasch Fortschritte.
»Und hast du gesehen? Ich hab abgenommen«, sagte sie und klopfte sich auf ihre kleine Wampe.
Die Kinderärztin hatte ihr eine Diät verordnet. Ein Weihnachtswind wehte über die Schule, ganz leicht, ganz leicht.
Und doch konnte Cécile in der Nacht von Freitag auf Samstag keinen Schlaf finden, und morgens hatte sie dunkle Ringe unter den Augen. Madame Barrois wollte sie trösten: »Dein Papa sagte immer:
Wer sein Bestes gegeben hat, dem macht der liebe Gott keine Vorwürfe.
«
Der liebe Gott, schön und gut. Aber Madame Marchon?
Cécile kam eine Stunde vor der Aufführung in die Schule. Ihre aufgeregten Schüler erwarteten sie in der Bibliothek.
»Madame, meine Schminke hält nicht!«
»Ich hab einen Handschuh verloren!«
»Was kommt noch mal nach ›Erbarmen, Herr Fuchs, nicht mit Zwiebeln!‹?«
Sie konnten ihren Text nicht mehr, hatten Bauchweh, und Omchen war leichenblass. Nachdem Cécile allesamt wieder aufgebaut hatte, wagte sie sich in den zum Zuschauerraum verwandelten Speisesaal. Die Eltern trafen ein, sie waren zahlreich, laut und wurden manchmal von Großeltern und älteren Geschwistern begleitet, die inzwischen weiterführende Schulen besuchten. Monsieur Montoriol ging von einem zur anderen: »Madame Gervais! Da muss es wirklich Weihnachten werden, damit man das Vergnügen hat, Sie zu sehen!«
»Sie werden ja immer jünger!«, rief Madame Gervais begeistert. »Bestimmt haben Sie dafür einen Trick?«
Er lachte, entdeckte Cécile und winkte
Weitere Kostenlose Bücher