Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot
ohne Körper, ohne Geruch, ohne Schwitzen. Ich sitze also neben Tom wie, als wenn wir ein altes Ehepaar waren. Einfach zwei Leute, die so nebeneinander in 'nem Auto sitzen. Manchmal weiß ich nicht, was ich mit Tom reden soll. Ich würde am liebsten nicht reden, aber wenn es dann so still ist, denke ich, daß er sich bestimmt langweilt mit mir und sich dann irgendwann von mir trennt und sich eine Frau sucht, die eben ganz un-terhaltsam ist. Ich weiß, wie so Frauen sind, die Männern gefallen. Das sieht man ja immer in Filmen. Natürlich bin ich nicht so blöd, Filme ernst zu nehmen. Aber schließlich sind die meisten Filme von Männern gemacht. Und das sind dann also schon deren Phantasien. Also so eine Frau, wie ich sie da vor mir sehe, ist total kapriziös. Sie hat immer hohe Schuhe an, in denen sie völlig gut laufen kann, und enge Kleider. Sie hat die Haare hochgetürmt und sieht total verführerisch aus. Sie redet viel, ungemein lustige Dinge, und lacht oft. Und sie macht ganz entzückend verrücktes Zeug, wie zum Beispiel dem Mann öfter mal ein volles Glas über den Kopf schütten. Ich guck mich an. Ich habe flache Schuhe und Jeans an. Weil das bequemer ist.
Ich bin stumm. Und wenn ich mir manchmal so überlege, ob ich Tom ein volles Glas Über dem Kopf leeren soll, dann fällt mir da irgendwie kein Grund dafür ein, warum ich das machen sollte.
Scheiße, bestimmt macht Tom mit mir Schluß. Er sieht toll aus. Die langen Haare und das Hemd ist offen, und auf der Brust hat er auch Haare. Ich frag mich, was der überhaupt an mir findet. Die tollen Frauen essen auch oft Spaghettis. Voll sinnlich, ziehen sie diese weißen Würmer in den Mund, und die prallen Backen stehen in einem guten Verhältnis zu ihrem prallen Dekollete. Ich esse immer noch ein bißchen vorsichtig. Tom hat gesagt, ich hätte Mager-sucht, und hat mir viel darüber erzählt und auch, wie ekelig er das findet. Und ich will nicht ekelig sein und krank auch nicht. Ich eß jetzt fast normal. Aber Spaghettis eben nicht, weil ich weiß, daß die sehr dick machen. Und ich sitz also im Auto. Italien ist schön, aber ich überleg mir, was ich Tom fragen oder was ich ihm Spannendes von mir erzählen könnte. »Tom.« Hm. »Tom, soll ich dir mal was ganz Verdorbenes erzählen?« Hm. Ich erzähl ihm von der Sache in Barcelona, mit diesem Typen, aber wie ich das schon erzähle, hör ich, daß das ziemlich langweilig klingt.
Und Tom sagt da auch nicht viel zu. Ich denk mir, warum das so schwer ist zu reden. Und ich wünsche mir, daß man mit wem, den man liebt, so reden sollen könnte wie mit sich selbst. Am Abend haben wir keine Lust mehr zu fahren. Wir sitzen in einem Ort draußen und essen was. Spä-
ter liegen wir in einem engen Bett mit einer Kuhle in der Mitte. Und da ist es total gut. Wir fassen uns an und so, und vielleicht ist Liebe ja auch eher Sich-Anfassen als nun andauernd zu reden oder Auto zu fahren.
TOM schreit
Tom steht an so einem Meer und denkt, das wird immer gleich alles so kompliziert, wenn man denkt. Niemand sollte über seine Zukunft nachdenken. Es ist vermessen zu glauben, man könnte die beeinflussen und planen.
Durch nichts kann man das und durch Denken mal gleich am allerwenigsten. Tom denkt an Nora. Die liegt in einer Pension, und er hat keine Ahnung, was in ihr vorgeht. Sie ist ein fremder Mensch für ihn, und er weiß noch nicht mal genau, ob er Nora liebt. Oder nur das Gefühl, das sie ihm gibt. Tom fragt sich weiter, was eigentlich Liebe ist. Das Wort ist so abgestoßen, so gequält, weil jeder es benutzt, wenn er sich entschuldigen will, nicht mehr weiter weiß, sich verstecken will, abkürzen will, nicht ehrlich sein. Und Tom sieht auf das Meer. Liegt da so rum, und er hat keine Ahnung. Das Meer sagt nichts, und Tom denkt an Nora.
Nora, da ist sich Tom sicher, versteht Spielzeugeisenbah-nen. Aber will er, daß sie die versteht. Will er, daß sie ihn versteht. Auf einmal hat Tom Lust zu schreien. Er hat mal von Urschreitherapien gelesen, und das fand er komisch, lauter Leute mit so häßlich gebatikten Hosen und Gesund-heitsschuhen, die da so rumstehen und schreien und sich einreden, sie kämen grad auf die Welt. Na und wie auch immer, auf jeden Fall stellt Tom sich gerade hin und schreit das Meer an. Dem Meer ist das egal.
Tom schreit und schreit und seine Stimme wird immer fester, mit jedem Schrei. Und dann ist er fertig und dreht sich um. Seine Augen treffen auf ein anderes Augenpaar.
Das gehört einem alten
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