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Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot

Titel: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Berg
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ich hier einfach stillhalten, und in geraumer Zeit habe ich mich dann aufgelöst. Nora versucht ganz still zu sitzen, und sie atmet ganz vorsichtig und flach. Nora sitzt ganz starr da, und die Nacht kommt, aber das merkt Nora nicht. Nora wartet, das ein Wunder passiert. Einmal in ihrem Leben könnte doch mal ein Wunder passieren.
    Und als das Wunder dann kommt, ist Nora schon so weit entfernt von sich und der Welt, daß sie es gar nicht be-merkt. Tom steht vor Nora, und er ist böse, sie zu sehen, Glücklich, sie zu sehen. Und nimmt sie in die Arme, ganz kalt ist Nora. Dann liegt sie mit Tom in diesem Straßen-graben, irgendwo im Niemandsland, zwischen Scheiße und Papierfetzen, und beide sind ein bißchen froh. Und traurig, weil Liebe oder die Sache hinter dem blöden Wort so schwer ist.
    VERA und BETTINA treffen sich
    »Das ist eine schlimme Zeit«, sagt Bettina, »sie haben uns alle Probleme genommen, sie haben alle Sorgen genommen, bis nur noch wir übriggeblieben sind.« »Wer sind Sie«, fragt Vera. Doch auf das antwortet Bettina nicht. »Es müßte etwas geben. Irgendwas, das uns von uns ablenkt.«
    »Was«, fragt Vera, und wieder weiß Bettina nicht weiter.
    Sie sitzen im Cafe. Um sie, die jungen Menschen, sind so müde vom Sattsein, daß sie krank aussehen, Später in der Nacht kommt ein junger Redakteur zu ihnen. Der arme Mensch ist noch nicht 30 und tragt schon die ganze Bürde eines Greises. Wie alle hat er karierte Hosen, silberne Schuhe, ein zu enges T-Shirt mit einer zu engen Lederjacke darüber bemüht, um sich unauffällig einzugliedern. Der uninteressante Mensch redet nur in Muß-man- und Kann-man-nicht-Sätzen. Tarrantino muß man gesehen haben. Grass kann man nicht lesen. Zu Goa-Partys muß man gehen. Vera beneidet den uninteressanten Menschen, denn seine Welt hat keine Zwischentöne. Der uninteressante Mensch erzählt von seinem unwichtigen Beruf und geht, als seine Worte keine Bewunderung aus-lösen. »Wieso geht die Zeit schneller, wenn eines einmal 30 geworden ist«, fragt die eine Frau, und die andere sagt,
    »vielleicht weil uns dann klar wird, daß es keinen Probe-durchlauf gibt.«
    VERA macht alles anders
    So, jetzt mach ich alles anders, sagt sich Vera. Sie sitzt in ihrer Wohnung und hat einen Zettel vor sich. Da will sie drauf schreiben, was sie jetzt alles anders machen wird.
    Nora schreibt, daß es ihr gutgeht und sie noch ein bißchen in Italien bleiben will. Vera rechnet damit, daß Nora dann ausziehen will, weil sie ja auch bald 18 ist, und dann langt es auch, mit Kind sein. Helge, das spürt Vera, wird nicht mehr zurückkommen. Es ist ihr egal. Vera hat auf einmal keinen Job mehr und keine Familie, und eigentlich sind das gute Bedingungen, um alles anders zu machen. Vera schreibt die Möglichkeiten auf den Zettel.
    Ich ziehe um.
    Ich ziehe aufs Land.
    Ich mache eine Weltreise.
    Ich gehe nach Biafra Kinder füttern.
    Ich studiere noch mal.
    Ich suche mir per Annonce einen reichen Australier zum Heiraten und zieh da hin.
    Ich mache eine Schönheitsoperation.
    Ich fahre nach der Schönheitsoperation wohin und kleide mich neu ein.
    Ich gehe wohin, wo ich der Liebe und dem Reichtum ent-sage und wo ich dann in einer Höhle lebe.
    Vera liest sich all die Möglichkeiten durch. Sie fühlt sich in die Möglichkeiten, sieht sich in so einer blöden Höhle hocken, mit langen Fingernägeln. Sieht sich nach einer Operation wie Cher rumlaufen. Und dann trifft sie ihre Entscheidung. Sie räumt die Wohnung auf. Dazu benötigt sie einige Stunden. Sie entfernt die Dinge, die einmal Helge gehört haben, sie räumt die Dinge, die Nora gehören in eine Kammer. Sie geht ins Bad. Da steht eine Handwasch-lotion. 400mal Händewaschen steht auf der Flasche. Vera schafft nur 345mal. Scheiß-Befehle denkt sie. Morgen wird sie sich einen neuen Job suchen. Und einfach dableiben.
    Was soll ich auch woanders, denkt sich Vera, woanders ist es nie besser, nur eben anders.
    TOM sitzt auf der Piazza
    Wenn so Leben ist, soll es nie aufhören. Die Sonne. Ein kleiner Hafen. Portofino. In dem Hotelzimmer liegt Nora.
    Es ist ganz früh. Wir haben die ganze Nacht nicht schlafen können. So aufgeregt waren wir. Wegen der Liebe. Es ist Liebe. Bei mir ist es viel klarer und stärker geworden, seit sie weggelaufen ist und ich sie wiederfand. Als ich so rumgefahren bin, um sie zu suchen, ist mir klargeworden, wie sehr ich sie liebe. Obwohl sie so jung ist und so schwierig.
    Ich weiß bis jetzt nicht, warum sie weggelaufen ist.

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