Ein paar Tage Licht
Freunde und Freundinnen aus der Region Besuche am nächsten Tag an und lud die beiden einflussreichsten nach Lichterfelde West in die Firmenvilla ein.
»Wo die Neonazis sind?«
»Nicht Lichtenberg. Lichterfelde. Da gibt’s nur alte Bäume, keine neuen Nazis.«
Prustendes Gelächter.
An einem Tisch jedoch holten ihn die Sorgen ein, wenn auch auf erfreuliche Weise.
»Rechtsanwalt? Wo?«
»Rottweil.«
»Kennen Sie sich mit Stuttgart aus?«
»War da zwanzig Jahre in einer Kanzlei. Degerloch.«
»Wenn ein respektabler Mann, sagen wir mal, Probleme mit der Staatsanwaltschaft Stuttgart hätte …«
»Mit Riedler? Dressler? Schönlebe? Harter Knochen, der Schönlebe.«
»Sie sind mein Mann.«
»Einen besseren finden Sie nicht.«
»Morgen, vierzehn Uhr, in Ihrer Kanzlei?«
»Florian.«
»Reinhold.«
Dann sprangen grelle Lampen an, die Musik brach ab, die Feier zur Einweihung der neuen Schießhalle des Schützenvereins Denkenheim war beendet. Wenige Minuten später war der Saal der Gaststätte leer, abgesehen von ein paar Schnapsleichen, erschöpften Angestellten und Wegner selbst, in dessen Ohren der brausende Lärm nachhallte. Er kramte die Visitenkarten aus seinen Taschen, ordnete sie alphabetisch und versah sie mit kurzen Notizen zum Namensinhaber. Lichtenberg/Neonazis! Dekolleté! Trittin-Witz!
Schwankend verließ er das Gasthaus, euphorisiert und voller Tatendrang. Im Auto programmierte er das Navigationsgerät, nur zur Sicherheit, wegen der Dunkelheit und des Alkohols. Grundsätzlich kannte er den Weg zu den Bordellen Villingen-Schwenningens aus allen Richtungen.
»Die Bundeskanzlerin?«
»Angela, ja.«
»Wirklich? Krass! Wie ist jetzt die so?«
»Nett, sehr nett. Aber nicht so hübsch wie du. Oder du. Oder du. Oder du.«
Fröhliches Gelächter aus einem halben Dutzend Kehlen.
Er saß in einer der Nischen, hatte die Unterhaltung vor einer halben Stunde mit einem Mädchen begonnen, Linda. Irgendein diffuses Gefühl, das von Zeit zu Zeit schmerzhafte Stiche in seine Brust schickte und ihm den Atem raubte, trieb ihn an, weitere Mädchen an seinen Tisch zu winken. Komm, setz dich, wie heißt du? Was willst du trinken, Stella? Bin gerade dabei zu erzählen, wie ich mit meinem Freund Phil in seiner Cessna über die afrikanische Savanne geflogen bin … Wir hatten da was Geschäftliches zu erledigen, in Afrika, Volumen fünf Milliarden Dollar, Riesending, mordswichtige Generäle und Minister waren dabei mit Dutzenden Leibwächtern – ein falsches Wort, und du verblutest im Staub. Aber wenn man da so mit der Cessna einschwebt, und unten stehen die alle und warten, dann ist man ziemlich entspannt, richtig tiefenentspannt, man denkt: Ich komme aus dem Himmel, was zählen da fünf Milliarden und ein paar Ganoven?
Die Mädchen staunten, lachten, rückten näher. Seine Hände waren beschäftigt, er liebte ja Taillen, bevorzugt schmale, die Handflächen an Taillen legen, das war ihm ein großer Genuss. Natürlich, Brüste nahm er auf dem Weg zu den Taillen gern mit, und er hatte auch nichts gegen die Finger in seinem Schritt.
Was ihn störte, war die Erinnerung an das lange, dünne, weiße Ding, das Siegfried Berghammer nacheinander in drei Urinale gehängt hatte. Und dieses seltsame, namenlose Gefühl, das ihn ein ums andere Mal in den Vorhof der Panik schickte.
»Setz dich zu uns, na komm, ist gerade noch Platz für eine Kollegin, kleine Tische habt ihr hier, Mensch, ihr müsstet mal mein Büro am Potsdamer Platz sehen, riesig, man könnte einen Tisch für, sagen wir, hundert Damen reinstellen.«
»Bloß, wie kriegt man den in den Aufzug?«, fragte Jessy.
Sie lachten.
»Und wie kriegt man den in den Aufzug?«, säuselte Leila und deutete auf Wegners höchstens halb erigierten Schwanz.
Für einen Moment verschlug es ihm vor Scham die Sprache, bis er begriff, dass der Scherz harmlos gemeint war, keine Anspielung auf fehlende Festigkeit, der Aufzug ein echter Aufzug, keine verrutschte Metapher für eine Vagina. Er lachte brüllend. Strich weiter über Taillen und Brüste, spürte die Finger arbeiten, kurz darauf zwei Zungen und sah währenddessen ein sehr langes, sehr festes, weißes Spaghetti-Ding ins rötliche Zwielicht ragen.
Spürte das Gefühl in der Brust wüten.
»Nadine, hast du Zeit, komm doch rüber zu uns!«
Mit Nadine waren es acht Mädchen, doch das genügte noch immer nicht, der Druck wollte nicht weichen. Die ganze Zeit über hörte er ein Flüstern im Hinterkopf, und es hätten
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