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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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nach dem Glas Syrah, das auf dem Boden neben ihr stand, als sie aus dem nahen Aufzugschacht Geräusche hörte. Der Lift hielt in ihrem Stockwerk.
    Sie stellte das Glas wieder ab, richtete sich auf. Nur ihre Wohnung lag im Dachgeschoss.
    Michael? Hatte keinen Schlüssel mehr. Vielleicht doch …
    Sie hörte, wie die Lifttür aufglitt. Dann Stille.
    Die Tür schloss sich. Jemand musste die falsche Taste gedrückt haben. Doch der Aufzug fuhr nicht hinunter, sondern blieb auf ihrer Etage.
    Plötzlich beunruhigt, stand sie auf und trat ins Wohnzimmer. Obwohl sie sich Mühe gab, knarzte das Parkett unter ihren Füßen, während sie durch die dunklen Räume ging. In der Diele war es wegen der Oberlichter etwas heller. Zwei Meter von der Wohnungstür entfernt blieb sie stehen und lauschte.
    Nichts.
    Höchstens, kaum wahrnehmbar, ein Rascheln, aber sie mochte sich täuschen …
    Da erklang ein leises, metallisches Schaben. Der Briefschlitz wurde von außen geöffnet, im Halbdunkel sah sie, wie sich der Deckel hob. Erschrocken wich sie zurück. Ein länglicher, spitzer Gegenstand erschien in der Öffnung, fiel vor ihren Augen zu Boden und prallte mit einem lauten Geräusch auf, einmal, zweimal, dreimal, dann rollte er gegen die Wandleiste und blieb liegen.
    Im Treppenhaus glitt die Lifttür auf. Schloss sich. Der Aufzug setzte sich in Bewegung. Aber sie hatte keine Schritte gehört, wusste nicht, ob derjenige, der vor ihrer Tür gestanden hatte, wirklich fort war.
    Rasch legte sie die Sicherheitskette vor und sperrte ab. Dann schaltete sie das Licht an und ging in die Knie.
    Vor ihr lag eine golden schimmernde Patrone.
    Mit dem Fingernagel drehte sie sie so ins Licht, dass sie die Beschriftung lesen konnte. Kaliber 5,56   x   45   mm NATO . Die Standardmunition für Sturmgewehre wie das G36 von Heckler & Koch und viele andere. Natürlich das MRG 45 von Meininger Rau.
    Sie stand auf, von Angst ergriffen, aber auch von Wut. Eine Warnung, vielmehr: eine Drohung.
    Ein Geräusch an der Tür ließ sie herumfahren. Ein leises, fast spielerisches Klopfen, als tippte jemand sachte mit dem Finger gegen das Holz.
    Das Klopfen brach ab, setzte wieder ein.
    Blieb aus.
    Dann waren schwere Schritte zu hören, die sich auf der Treppe langsam nach unten entfernten.

50
    KABYLEI
    Gegen zwei Uhr stand Eley lautlos auf.
    Sechs Männer schliefen in dem Raum, ein paar jüngere, ein paar ältere, alle bewaffnet. Auf dem einzigen Bett lag ein bärtiger Greis in weißer Kutte, einer der falschen Trappistenmönche. Madjer war nicht hier. Dafür der Mann aus dem Steinhaus, der sie durch die Minenfelder geführt hatte. Ihn würden sie brauchen, wenn sie flohen. Ihn und als Geisel Madjer.
    Im kraftlosen Schein der Öllampe, die an der Wand befestigt war, stieg er über Beine, Kissen, Matratzen. Er hörte die Männer atmen, zwei schnarchten. Niemand bewegte sich.
    Die Tür ließ sich geräuschlos öffnen und schließen.
    Draußen die Dunkelheit der Nacht. Er stand eine Weile reglos da, bis sich seine Augen umgestellt hatten. Hohe Wolken, keine Sterne, kein Mond. Es war kühl, höchstens sechs oder sieben Grad.
    Plötzlich ein seltsamer Geruch … Anis. Wurde dünner, war verflogen.
    Er ging über den Hof, hart gestampfte Erde, zahlreiche Steinchen, lösten sich leicht, er musste aufpassen, durfte keine Geräusche verursachen. Jenseits der Mauern waren Wachposten, irgendwo im Gelände verborgen, das wusste er. Innerhalb hatte er keine bemerkt, weder am späteren Abend noch jetzt. Vielleicht hielten sie das Kloster wegen der Minen für so geschützt, dass sie hier auf Wachen verzichteten.
    Linker Hand ein Blechdach, auf Holzpfosten befestigt, eine Plane verbarg jetzt das Innere, am Nachmittag hatte er dort zwei Mofas gesehen. Er ging hinüber, schob die Plane zur Seite, schlüpfte in den Verschlag. Langsam tastete er sich voran, roch die beiden Mofas in der Finsternis mehr, als dass er sie sah, Benzin, Öl, Gummi. Seine Hand berührte einen Lenker, er suchte das Zündschloss, fühlte den Schlüssel.
    Er kehrte ins Freie zurück, ging weiter, auf das Haus zu, in dem Richter schlief.
    Wieder der Duft von Anis. Er hielt inne.
    Ein Klicken hinter ihm, der Hahn einer Schusswaffe war gespannt worden.
    Er drehte sich um. Eine Armeslänge entfernt stand eine Frau, die Pistole in der erhobenen rechten Hand. Sie kam ihm wie ein Teil der Nacht vor, Haare, Haut, Augen dunkel, Hose und Jacke schwarz. Sie lächelte spöttisch.
    »Karima?«, sagte Eley.
    Sie

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