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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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rannten mit Gewehren über den Hof, schossen auf die unsichtbaren Metallkörper der Hubschrauber.
    »Zum Tor, Richter!«, schrie Eley. »Wir müssen …«
    Die nächste Rakete, diesmal seitlich von ihnen, eine mächtige Explosion, brachte den Gestank von verschmortem Kunststoff. Eley musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass der Verschlag und die Mofas zerstört worden waren.
    Da kam ihm eine Idee.
    Er packte Richters Arm. »Warten Sie am Tor auf mich!«
    »Lassen Sie mich nicht …«
    »Zum Tor, Richter!«
    Gebückt rannte Eley auf Madjer zu. Schmerzen zuckten durch seinen Rücken, das Atmen fiel ihm schwer, das Sprechen. Madjer starrte ihn gehetzt an, das Gesicht schweißnass, Kratzer an der Stirn, der Schnurrbart hell vom Staub, der rechte Jackenärmel zerfetzt, Blut troff auf seine Hose. Das Funktelefon lag in seinem Zimmer, rasch beschrieb er den Weg, dann kamen zwei Männer, die ihn stützten und Richtung Tor wegführten.
    Eley lief über den Hof, hastete eben in das Gebäude mit den Wohnzellen, als dessen hinterer Teil explodierte. Die Erschütterung warf ihn auf die Treppenstufen, er kam wieder hoch, zwang sich weiter. Oben sah er, dass die Quermauer eingestürzt war, ein Teil des Dachs, Richters Zelle und andere zerstört.
    Auf einem Tisch in Madjers Raum fand er seine Habseligkeiten – Handy, Akku, Diplomatenpass, Pistole, Autoschlüssel, Portemonnaie.
    Rasch nahm er das Telefon in Betrieb.
    Kein Empfang. Sie hatten die Netze abgeschaltet.
    Der verlorene Punkt würde nicht auf die Bildschirme von Soudanis Leuten zurückkehren.
    Draußen hatten sich die Gewehrschützen bewegt, die Läufe anders ausgerichtet. Einer der Hubschrauber war noch ein Stück herangeflogen, am dunklen Himmel blitzten grelle Lichtpunkte auf, ein Maschinengewehr. Immer wieder wirbelten auf dem Boden aufprallende Kugeln Steine und Staub hoch. Dann entfernten sich die Kugeln, suchten sich ihre Ziele in Mauernähe.
    Eley rannte an dem brennenden Verschlag vorbei auf Richter zu, der am Tor saß, den Kopf unter den Armen verbergend. Er hatte wohl versucht, sich die Hose anzuziehen, dann aufgegeben, nur die Füße steckten darin, daneben lag das Hemd.
    Ein paar Meter vor sich sah Eley plötzlich einen Schatten, eine Waffe in der Hand, hatte dasselbe Ziel: Richter.
    Ein Hauch von Anis.
    »Karima!« Madjer, stand gebückt in der Nähe des Tors im Halbdunkel, die linke Hand auf den rechten Arm pressend. Er rief etwas auf Algerisch.
    Karima wandte ihm flüchtig den Kopf zu, blieb nicht stehen.
    »Richter, Vorsicht!«, schrie Eley im Laufen, während er die Pistole hob. Er schoss, Karima stürzte, verlor die Waffe. Sie rappelte sich auf, humpelte weiter, das rechte Bein nachziehend, fiel wieder.
    Dann stand Eley über ihr, griff ihr ins Haar, zerrte sie halb hoch, vor Wut und Genugtuung bebend.
    Madjer trat neben ihn, sagte kraftlos: »Monsieur.«
    Er stieß Karima zu Boden, kontrollierte den Atem.
    Madjer deutete zum Tor.
    Richter hockte unverändert da, nein, die Arme waren anders positioniert, hingen zu beiden Seiten herab, und der weiße Körper hatte sich rot gefärbt.

51
    DENKENHEIM
    Schlag zwei war der Spuk beendet. Die Grashüpfer leerten ihre Gläser, sofern sie sie noch halten konnten, erhoben sich lärmend und krochen in die Nacht hinaus.
    Wegner hatte nach ein paar Minuten Panik vor den Toiletten im Untergeschoss beschlossen, alle Sorgen auf die einsamen Stunden in seinem Stuttgarter Hotelzimmer zu verschieben und sich diese Gelegenheit nicht entgehen zu lassen: betrunkene Provinzpolitiker jeder Couleur und jeden Geschlechts, Zoten reißend, Anekdoten verbreitend, im Suff bereit zur Verbrüderung. Er musste nur von Tisch zu Tisch gehen und auffangen, was ihm in den Schoß fallen wollte, Gestatten, Reinhold Wegner, Berlin, fünfzehn Jahre mit der alten Dame verheiratet, dann kamen jüngere. Er gratulierte zu Wahlerfolgen, an die er sich mit größter Präzision erinnerte, konnte in Sachen Siegfried Kauder mitreden, dessen Alleingang für Unruhe in der CDU in Südwest und Nordost sorgte, holte taube Kellnerinnen an austrocknende Tische, lieh dem Bürgermeister eines Schwarzwaldkurortes fünfzig Euro und durfte mit anderen Herren ein ausladendes Dekolleté kommentieren.
    Immer wieder verwies er auf seine enge Verbindung zu Altniederndorf und erzählte mit leuchtenden Augen und großen Gesten von den neuesten Geniestreichen deutscher Rüstungsingenieure. Er sammelte und verteilte Visitenkarten, kündigte mindestens neun seiner neuen

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