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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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geworfen.«
    »Nicht mein Vater.«
    Soudani stieß ein Schnauben aus. »Das sagen alle Söhne.« Er nickte in Richtung des Deutschen, dessen Blick zwischen ihm und Djamel hin- und herflog. »Lassen Sie ihn gehen.«
    »Noch nicht«, erwiderte Djamel.
    »Excusez-moi?«, flüsterte der Deutsche.
    Er beachtete ihn nicht. »Was haben Sie mit meinem Vater gemacht, General?«
    »Wie gesagt, ich erinnere mich nicht.«
    »Er war klein, ein bisschen dick, hatte einen Schnurrbart. Er war sehr kurzsichtig, und weil er seine Brille nicht dabei hatte im Serkadji, wird er dauernd die Augen zusammengekniffen und geblinzelt haben. Sie haben ihn und andere am Abend in der Rue Abdelaziz Hamoua geholt, einer Seitenstraße des Boulevard de l’Emir Khaled, der am Stadion von Bologhine vorbeiführt. Der Boulevard war in Richtung Stadt gesperrt, und …«
    Soudani hob ungeduldig eine Hand. »Ich erinnere mich nicht. Aber ich erinnere mich an den einunddreißigsten August. Eine Bombe explodierte vor der Polizeidirektion in Bab el Oued.«
    Djamel nickte, hörte seinen Vater flüstern: Zehn Tote im August in Bab el Oued!
    »Vermutlich war Ihr Vater einer der Verdächtigen.«
    »Sie kennen Ihre Feinde nicht, General.«
    »Bringen wir es endlich hinter uns«, sagte Soudani.
    »Ja«, sagte Djamel. Er hob die Pistole und drückte den Abzug durch. Die Kugel fuhr Soudani in die Schulter, die Wucht stieß ihn seitlich vom Stuhl. Fast geräuschlos kam er auf dem Boden auf. Seine Augen waren geschlossen, seine Lippen bewegten sich, er schien stumm zu beten.
    Djamel stand auf, schoss ihm ins Herz.
    Sah zu, wie er starb.
    Die Lippen verharrten, die Lider glitten auf, der Blick leer. Ein paar Sekunden, das war alles. Ein paar Sekunden für siebzehn Jahre.
    Er drehte sich um, blickte in die aufgerissenen Augen des Deutschen, der rasch die gespreizten Hände in seine Richtung streckte, als wollte er ihn beschwörend von sich fernhalten oder ihm nur zeigen, dass er keine Waffe hatte. »You are Wegner?«
    Der Deutsche schüttelte den Kopf. »No, no, no, I am Prinz, not Wegner. Prinz.«
    Djamel wandte sich wieder der Leiche Soudanis zu. Im Tod kam ihm der General winzig vor. Alle Macht und Härte waren aus seinem Körper gewichen. Er dachte, dass dies der wahre Soudani war, der Mann hinter der eisernen Fassade.
    »I am not Wegner«, sagte der Deutsche atemlos. »Wegner wollte kommen, aber er … er ist nicht gekommen.«
    Djamel beachtete ihn nicht. Er bückte sich zu der schmalen Leiche hinunter, roch den Urin und die Exkremente, die der Körper des strengen alten Mannes, der nicht mehr Soudani war, im Tod abgestoßen hatte.
    Da zerrissen kurze Explosionen die Stille, eine rasend schnell nach der anderen, die vierte oder fünfte detonierte in seinem Nacken und stieß ihn hart nach vorn.
    Er fing sich mit den Armen ab. Auf den Fersen hockend, versuchte er, den Kopf zu heben, doch es gelang ihm nicht.
    Wie aus großer Entfernung zwei weitere Explosionen. Aus der Zimmerwand vor ihm platzte Mauerwerk.
    Er sah den Deutschen, der nun doch eine Pistole in der Hand hielt, durchs Zimmer rennen, hinaus, in den Garten. Dann war er verschwunden. War … in den Swimmingpool gesprungen.
    Djamel ließ sich zurücksinken. Das Tischbein hielt ihn aufrecht.
    So saß er da und wartete auf das Ende und dachte, dass er jetzt nicht allein sein wollte, allein mit den Erinnerungen – siebzehn Jahre und ein paar Sekunden.

68
    BERLIN
    Eley spürte Djamel Benmedi. Spürte, dass sie zu spät kamen. Dann hörte er es auch.
    Sie standen am Vorgartentor der Meininger-Rau-Villa in Lichterfelde West, Landrich und er, hatten eben klingeln wollen. »Warte«, sagte er und konzentrierte sich auf das Geräusch.
    Ein Wimmern wie von einem Kind.
    Er stieg über das Tor, eilte am Haus entlang, gefolgt von Landrich, der es auch zu spüren oder zu hören schien, das lange Gesicht glänzte plötzlich vor Schweiß, die Augen klein und wachsam.
    Der Weg führte durch Gebüsch, das als Sichtschutz diente. Sie gelangten in einen Garten, an den Seiten Bäume, weitere Büsche, näher beim Haus ein Swimmingpool, von dem ein gekiester Weg zur Terrasse führte.
    »Im Pool«, flüsterte Landrich, der seine Waffe gezogen hatte.
    Eley nickte.
    Mitten im Pool stand ein Mann. Nur der Kopf ragte aus dem Wasser. Er blickte in Richtung Villa, sah vermutlich nicht viel mehr als den Beckenrand. Das Wimmern stammte von ihm.
    Drinnen, im hell erleuchteten Wohnzimmer, zwei am Boden liegende Männer, umgefallene Stühle,

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