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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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mich, Harry.«
    »Nur ein Scherz«, sagte Landrich.
    Er hatte am Morgen einen Termin mit den Kollegen vom Staatsschutz. Später würde auch der Verfassungsschutz anwesend sein. Viele andere Bürokraten, die für Terrorismus zuständig waren. Eley war nicht eingeladen.
    Natürlich nicht.
    Sie würden Stunden damit verbringen, Informationen zu sammeln, sich miteinander auszutauschen, sich die Köpfe zu zerbrechen. Sie würden versuchen, Informationen von den Franzosen und den Algeriern zu bekommen, von den Amerikanern. Würden am Ende beschließen, für Samstagmorgen ein kleines Team aus Stuttgart nach Altniederndorf zu schicken, nur zur Sicherheit. Sie würden davon ausgehen, dass nichts geschah. Ein kleines Team konnte man vor den Controllern und den Medien rechtfertigen, wenn nichts geschah.
    Eley starrte in den fremden Himmel und dachte an sein Büro in Algier. Das in Rom.
    Ein kleines Büro, eine Ortskraft als Sekretärin, er. Niemand sonst. Kein Bürokraten- und Expertenheer. Keine Zeitfresser. Was richtig war, entschied nur er. Er konnte spinnen, sein Bauchgefühl kultivieren. Deshalb hatte er sich der jahrelangen Vorbereitung für Verbindungsbeamte unterzogen. Um ins Ausland zu gehen und – im Rahmen der Landesgesetze – sein eigener Herr zu sein.
    Damit war nun Schluss. Das AA würde sofort Widerspruch einlegen, wollte Harry Landrich ihn jemals wieder in einer Auslandsvertretung unterbringen.
    Harry Landrich würde ohnehin nicht wollen.
    Er löste sich vom Fenster, ging zum Schreibtisch. »Montag um neun bin ich wieder hier. Falls mich jemand sprechen will.«
    Landrich war beim Tippen, sah nicht auf. »Die Schlange wird bis auf die Straße reichen.«
    »Ich habe Zeit.«
    »Viel Zeit.«
    »Ja.«
    »Tut mir leid, Ralf. Hier geht nichts mehr.« Landrich hob den Blick. »Hier« hieß: das Referat, ihre Welt. Fünfzig Staaten, dreiundfünfzig Standorte, sechsundsechzig Verbindungsbeamte. Kein Platz mehr für Eley in dieser Welt.
    Er nickte.
    »Wird Zeit, dass du deine Wohnung hübsch machst«, sagte Landrich. »Oder umziehst. Ist ein bisschen klein, deine Wohnung, wenn du jetzt länger in Berlin bist.«
    »Mal sehen«, sagte Eley.
    »Mal sehen«, sagte Landrich, zuckte mit den Schultern.
    An der Tür drehte Eley sich um. »Ich dachte an Rabat oder Tunis.«
    Landrich grinste giftig. »Höchstens Tripolis. Oder … Wie heißt das da in Mali?«
    »Bamako.«
    »Das meine ich.«
    »Wir haben kein Büro in Bamako.«
    »Hab gehört, du arbeitest sowieso lieber in Hotelzimmern.«
    »Ach, Harry.«
    »Geh heim, Ralf, schlaf dich aus.«
    Eley hob grüßend die Hand. »Lass unseren Leuten ausrichten, dass ich da unten in Altniederndorf rumschwirre. Dass sie mich nicht aus Versehen erschießen sollen.«
    Sanft schloss er die Tür, trat kurz darauf in die Nacht hinaus, ging die eineinhalb Kilometer zu seiner winzigen Wohnung am Kiehlufer zu Fuß. Er dachte an den alten Benmedi, dem Wollkatsch die Nachricht vom Tod Djamels mittlerweile überbracht haben würde. Er nahm sich vor, ihn irgendwann in Pessin zu besuchen. In der verqualmten Küche sitzen, rauchen, über Algerien sprechen. Von Sadek Madjer und Abderrahmane Toumi erzählen, von Tizi Ouzou und Bouzeguène, damit Benmedi ein bisschen besser verstand, wer sein Enkel gewesen war.
    Vielleicht von Amel erzählen, damit Benmedi verstand, wer er war.
    Aber darum ging es nicht, dachte er.
    Youcef Benmedi, ein Stückchen Algerien in Brandenburg.

70
    BERLIN
    Heinrich Zimmermanns Zustand war unverändert. Er lag, wie er vor drei Tagen gelegen hatte, den Kopf leicht zur Seite geneigt, die Hände auf der Bettdecke. Sauerstoffmaske, Schläuche, Sabber. Beutel voller Flüssigkeit. Wie gehabt.
    Aber wenn man genau hinsah, wirkte das Gesicht weniger durchscheinend. Als wäre tief drinnen ein Hauch von Leben in ihn zurückgekehrt.
    Wie sie sich nach dem Tag sehnte, an dem er die Augen öffnete. Mit ihr sprach.
    Ein bitterer Rückschlag, Frau Prinz. Jetzt gilt es, die Fehler zu analysieren, damit so etwas nie wieder geschieht.
    Von Schuld sollte man nicht sprechen, Frau Prinz. Von Verantwortung durchaus.
    Schuld, Verantwortung.
    Hätte sie nicht den Kampf gegen Meininger Rau aufgenommen, dann hätte Wiebke Ebert sich nicht das Leben genommen. Daran gab es keinen Zweifel. Doch was folgte daraus? Nie wieder kämpfen? Mögliche Folgen besser einschätzen?
    Sie wusste es nicht.
    Andere Konsequenzen waren längst eingetreten. Die Staatssekretärin hatte einen Schlussstrich gezogen. Die

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