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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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lachte.
    »Was kann ich tun?«
    Na endlich, dachte er. »Hören Sie sich unauffällig um, Herr Dr.   Riehle. Sobald Prinz Schritte unternimmt, wird es die Runde ma-chen. Sie wird im BMW i Unterlagen anfordern, wird Mitstreiter suchen, wahrscheinlich sogar bei SPD , Grünen und den Kommu-nisten. Sie muss laut werden, sonst hat sie keine Chance. Wir müs-sen unter den Ersten sein, die es hören. In der Zwischenzeit brin-gen wir die Truppen in Stellung. Sprechen Sie mit Ihren Strategen, Ihren Juristen, mit dem Verteidigungsministerium. Bereiten Sie die Wirtschaftsverbände vor, BDI , BDA und so weiter. Die Gewerkschaften. Sechshundert Arbeitsplätze und zahlreiche mehr bei den Zulieferern sind in Gefahr! Ein ganzer Ort steht vor dem Ruin! Altniederndorf darf nicht sterben! Lassen Sie ein Wort fallen, wenn Sie der Kanzlerin begegnen. Unauffällig. Sie verstehen.«
    Riehle sagte nichts, die Kiefer mahlten. Erneut zerquetschte er Wegner die Hand. Dann eilte er davon.
    Wegner wusste, dass er den Ernst der Lage begriffen hatte. Falls es Prinz gelang, mit ihrer Zündelei einen Brand zu entfachen, ginge es um alles. Für Meininger Rau stünde dann die entschei-dende Schlacht bevor. Für Altniederndorf. Vielleicht ja auch für die Herren Riehle und Berghammer.
    Und natürlich für ihn.

16
    PESSIN
    Benmedi saß wie auf heißen Kohlen. Ende Oktober, hatte Djamel geschrieben. Der Oktober war bald vorbei.
    Am Vormittag hatte Dani Jankes Tochter Jenny das Transparent für das Erntefest im »Pessiner« abgeholt, sechs auf zwei Meter, Datum, Uhrzeit, Programm, Mitwirkende in »arabischer Schnörkelschrift«, wie man es hier nannte, dazu ein paar Dreifachspiralen und Palmetten. Seit acht Jahren war die Gestaltung des Transparentes Benmedis Aufgabe – Dani Jankes Idee, um ihn ein Stück weit aus der inneren Lähmung zu holen, die nach dem Tod Paulines von ihm Besitz ergriffen hatte.
    Auf den Mittagsschlaf hatte er verzichtet, aus Sorge, die Klingel nicht zu hören.
    Statt Djamel war eine energische Frau aus Ribbeck erschienen, hatte ihm eine breite weiße Kachel in die Hände gedrückt, der Hund habe im Garten eine neue Hütte bekommen, brauche ein hübsches Namensschild in so arabischer Schrift, bitte schön, ein Foxterrier, falls das für die Gestaltung wichtig sei, eine Dame, sieben Jahre, der Name: Lady.
    »Lady liebt Blumen.«
    Floral also, hatte Benmedi festgelegt, fünfzig Euro, Abholung ab Donnerstag, zwölf Uhr.
    Dann hatte er auf der Bank vor dem Haus Platz genommen, die Hände vor der Brust verschränkt und die Augen auf die Kirche am Anfang der Straße der Jugend gerichtet. Von dort musste er kommen, sein Enkel Djamel.
    Später schreckte er hoch, sein eigenes Schnarchen hatte ihn geweckt. Er blinzelte, die Augenlider klebten.
    Im Gegenlicht näherte sich eine verschwommene Gestalt.
    Benmedis Herzschlag beschleunigte sich, wieder brach sich die Erinnerung Bahn. Er hockte an einem Tisch in einer gekachelten Küche, den Jungen auf dem Schoß. Schweigend durchblätterten sie ein Buch mit arabischen Ornamenten, das Mouloud Djamel zum Geburtstag geschenkt hatte. Ein auf traurige Weise fehlgeleitetes Geschenk. Nur aus Höflichkeit betrachtete Djamel die Abbildungen, fuhr mit dem Finger Spirallinien nach, während sich seine Füße unruhig vor- und zurückbewegten. Benmedi dagegen war fasziniert.
    Eine Papyrusblüte, sieh mal, wie schön.
    Mhm.
    Und hier, eine Palmette, ach, eine Palmenspitze.
    Mhm.
    Und das hier, wie heißt das, Dreifachspirale, das sieht aber hübsch aus.
    Gehen wir in den Sportpark, Fußball spielen?
    Ein paar Monate später, als Benmedi und Pauline Algier überstürzt verlassen hatten und nach Pessin zurückkehrten, fand er das Buch obenauf in einem der beiden Koffer. Auf das leere Vorsatzblatt hatte der Junge in krakeliger Ornamentalschrift geschrieben: Für meinen Großpapa.
    Das einzige Geschenk von Djamel.
    Das Einzige, was Benmedi von Mouloud geblieben war.
    »Youcef?«
    Der Blick klärte sich, in Wellen kehrte das Bewusstsein in die Gegenwart zurück.
    Vor ihm stand im Fußballdress ein anderer Elfjähriger, ein blonder: Robin, Linksaußen der D-Junioren Spielgemeinschaft Friesack/Pessin I, vor Kurzem zum »Spieler des Monats« gewählt, Pessins große Fußballhoffnung. Der rechte Fuß ruhte auf einem Ball.
    Benmedi begriff – der Sportpark . »Nein, heute nicht. Ich muss hierbleiben, mein Enkel kommt bald, ich möchte ihn nicht verpassen.«
    Robin zog die Nase kraus, setzte sich neben ihn. In Pessin

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