Ein paar Tage Licht
jedenfalls.«
Steve – der fließend Arabisch sprach – zog eine Grimasse. »Ich müsste raten, deine Aussprache ist grauenhaft. Sag deiner Sekretärin, sie soll es aufschreiben.«
Eley lachte leise.
»Und wer soll das sein?«
»Ehemalige Leute von Droukdel. Marokkaner, Mauretanier, Libyer.« Er wiederholte, was General Soudani berichtet hatte.
Steve schüttelte den Kopf. Strähnen der halblangen Haare lösten sich hinter den Ohren, er steckte sie zurück, kratzte sich den Bart. Eine Gruppe, die niemand kannte, eine Überlandreise, die angesichts zahlreicher Straßenkontrollen fast unmöglich erschien, Insiderwissen, das aus dem Verteidigungsministerium oder dem Geheimdienst stammen musste, eine Logistik, die ein hohes Maß an Disziplin, Organisation, Planung erforderte, eine derart präzise, schnelle Durchführung. Ein »Ungläubiger«, der unversehrt überlebt hatte. »Das stinkt, wenn du mich fragst.«
»Ja«, sagte Eley. Er leerte die Tasse, wurde diesen einen Gedanken nicht los: Und wenn Amel die Wahrheit kannte?
Steve berichtete von einer anderen Zelle ehemaliger Droukdel-Leute, die gerade gegründet worden sei, unter Mokhtar Belmokhtar. Muwaqiun bi-l dam , »Die mit dem Blut unterschreiben«. Eley kannte die Gruppe nicht, wusste aber natürlich, wer Belmokhtar war. »Der Einäugige«, ehemals einer der Anführer von AQM , hatte sich von Droukdel losgesagt und führte eigene Zellen. Veteran eines der afghanischen Kriege, Schmuggler, Waffenhändler, Terrorist, Menschenräuber. Die Algerier hatten ihn mittlerweile zweimal zum Tode verurteilt.
Steve nahm einen Schluck aus einer kleinen Wasserflasche, lachte freudlos. »Diese Verrückten mit ihren Scheißnamen. Die mit dem Blut unterschreiben, Vertreiber der Ungläubigen. Was für ein Scheißpathos.«
Wieder unterbrachen sie das Gespräch, ein halbes Dutzend Schülerinnen zwängte sich zwischen den parkenden Autos und den Tischen hindurch, die auf dem Gehsteig kaum Raum für Passanten ließen. Helle Stimmen überlagerten den Straßenlärm. Ein paar der Mädchen trugen Jeans, andere bunt flatternde, knöchellange Gewänder, Kopftücher in leuchtenden Farben, manche farblich auf die Schuhe oder die Schultasche abgestimmt.
Steve hatte das Smartphone auf den Tisch gelegt, tippte Buchstaben ein, die Finger lang und elegant.
Eley wartete schweigend.
Bis Anfang der sechziger Jahre hatte in der Mitte des Platzes eine Statue des französischen Generals Thomas Bugeaud gestanden, der um 1840 den militärischen Widerstand der algerischen Stämme gegen die Besatzer gebrochen hatte. Nach der Unabhängigkeit, so hatte Mehdi einmal erzählt, hatten die Algerier ihm die Landesflagge in die Armbeuge gesteckt. In Paris war man empört gewesen. Schließlich einigte man sich darauf, dass die Statue des Generals nach Frankreich »heimgeholt« wurde. Die listigen Algerier postierten an seine Stelle den berittenen Emir Abdelkader, jenen Stammesführer, der Bugeaud jahrelang erfolgreich Widerstand geleistet hatte.
Was man hier sah, verwies eben immer auch auf das Gegenteil.
Oder war Fassade, wie Steve. So cool, so lässig in Jeans und Hemd und Cordjacke, Anfang vierzig, erfolgreicher, aber ausgebrannter Schriftsteller auf dem Selbstfindungstrip. Algier wegen Camus, und weil Tanger und Casablanca nur noch Klischees seien. In der Kulturabteilung der amerikanischen Botschaft hatten die um sein Seelenheil besorgten Landsleute einen Schreibtischjob für ihn geschaffen, Bürokram, halbtags, da blieb viel Zeit fürs Brüten, Meditieren, für Taiji.
CIA -Tarnung. Wer er wirklich war, wusste Eley nicht.
Er lehnte sich zurück, spürte, wie der Kaffee Energien weckte. »Im Gästehaus gibt es Überwachungskameras. Kommst du an die Aufnahmen ran? Verteidigungsministerium, DDSE .«
Steve sah auf. »Leichter wäre es mit den Aufnahmen vom Flughafen.«
Eley nickte, an die Flughafenkameras hatte er nicht gedacht. Auf deren Aufzeichnungen war vielleicht Sadek Madjer zu sehen. »Ich nehme alles, was ich kriege.«
»Und dann, Ralf?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Bleib in Deckung. Was kannst du allein schon erreichen?« Steve erhob sich, wollte Geld auf den Tisch legen, doch Eley winkte ab.
Sie schüttelten sich die Hand.
»Du hast was gut bei mir«, sagte Eley.
»Ja«, erwiderte Steve lächelnd.
Mehdi kam mit der zweiten Tasse Espresso, tätschelte Eleys Schulter.
Und dann?, dachte er.
Weitersuchen. Weiterfragen.
Amel konfrontieren.
15
BERLIN
Reinhold Wegner hatte schlecht
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