Ein paar Tage Licht
Abgeordneten der Sozialisten, lernte, beobachtete, bereitete sich vor.
Die Jahre in Paris hatten ihm gutgetan, die Freiheit, der Erfolg. In jedem seiner unbekümmerten Briefe war ein anderer Frauenname aufgetaucht, bunte Postkarten aus Kanada, Spanien, England, Belgien, Deutschland, Italien, hin und wieder ein fröhlicher Anruf bei dem alten Kameraden aus Bologhine.
»Mon Président«, sagte Djamel.
Aziz hob erschrocken die Hände. »Ich bin zu jung, Djamel, ihr müsst einen anderen finden.«
»Wir sind ein junges Volk.«
»Nein, wirklich, ich bin noch nicht so weit.«
Djamel klopfte ihm auf die Schulter. »War nur ein Scherz.«
»Präsidentenberater, das könnte ich mir vorstellen.«
»Müssen Berater nicht älter und weiser sein als die, die sie beraten?«
»Na, dann werde du Präsident, dann stimmt es.«
Lachend folgten sie dem Weg durch den Park. In der Ferne war Hundegebell zu hören, Menschen sah Djamel nicht. Aziz hatte ihn untergehakt, hielt mit der anderen Hand den Regenschirm tief über ihre Köpfe. Jenseits der Bäume schimmerten Lichter in den kleinen Häusern, leuchteten warm ins Grau des Nachmittags. Djamel fühlte Ruhe in sich, die Anspannung war von ihm abgefallen, zum ersten Mal seit Monaten. Aziz nahm den Dingen die Schwere, verströmte Freude und Zuversicht, wo er selbst nur an Gefahren und Konsequenzen dachte.
Der Rand des Regenschirms senkte sich vor seine Augen. »Sag, mit Constantine hat alles geklappt?«
Djamel nickte. »Sadek ist ein Meister der Vorbereitung.«
»Und die DDSE ?«
»Hat keine Ahnung.«
»Haben wir jemanden dort, der mit Constantine befasst ist?«
»Ja«, sagte Djamel. »Erinnerst du dich an Abderrahmane?«
»An Dutzende.«
»Toumi.«
Aziz schüttelte den Kopf.
»Aus Bab el Oued, er hat manchmal gegen uns gespielt. Vierundneunzig hat er in Blida zwei Onkel verloren.«
»Die Verhaftungen durch die Soldaten?«
»Ja.« Am Tag nach den Festnahmen hatten vierzehn Tote in den Straßen der Stadt gelegen. Abderrahmane Toumi, damals zwölf oder dreizehn, war mit seinem Vater von Leiche zu Leiche gegangen und hatte mit ihm seine Onkel heimgetragen.
»Aus Bab el Oued«, murmelte Aziz. »So ein großer, mürrischer?«
»Nein, groß ist er nicht, mürrisch auch nicht. Er hatte immer selbst gemachtes Gebäck dabei, Makrouts und …«
»Ah, Makrouts mit Datteln und diese herrlichen Blätterteig-Mcheklas …«
»Genau. Er leitet die Ermittlungen für die DDSE .«
Aziz stieß ein Raunen aus, und Djamel lächelte, ja, das mit Toumi war ein großer Wurf. Ein bisschen Strategie und Manipulation, dazu Glück, wie so oft. Die Planung war entscheidend, dann kam das Glück schon nach, und das hieß: Am Wichtigsten war immer die Geduld.
Deshalb hatten sie Aziz vor vier Jahren nach Frankreich geschickt. So intelligent und weitsichtig er war, es fehlte ihm an Geduld.
Der Rand des Regenschirms hob sich, sie hatten das Auto erreicht.
»Wir sollten uns einen Namen geben«, sagte Aziz.
»Wozu?«
»Für die Medien, die Öffentlichkeit. Für uns. Namen sind wichtig, sie schaffen Identifikation, Zugehörigkeit. Sie signalisieren Homogenität.«
»Aber es gibt keine Homogenität.«
»Es gibt Gemeinsamkeiten. Wir sind Algerier, und wir haben ein gemeinsames Ziel.«
»Ein Name …«, sagte Djamel zweifelnd.
»Am besten einer, den man abkürzen kann.«
»Wie FLN ?«
Aziz lachte. »Ja, wie FLN . Das ist griffig und stabil.«
»Wollten wir nicht anders sein als der FLN ?«
»Wir sind anders.«
»Abkürzungen stehen für das System«, sagte Djamel. »Wir sind nicht das System. Wenn wir unser Ziel erreicht haben, zerfallen wir und werden wieder viele.«
Aziz seufzte. »Dann eben keine Abkürzung. Nur ein Name.«
»Kein Name«, sagte Djamel.
Aziz klatschte in die Hände. »Treffen wir uns in der Mitte. Wir nennen uns Die Namenlosen.«
Die Namenlosen, dachte Djamel. Er nickte. Das gefiel ihm.
Der Name kam vom Vater. Sein Vater war fort. Seiner, der vieler Tausender anderer Algerier.
Ein Vaterloser war ein Namenloser.
18
ALGIER
Spätnachmittag, der Himmel wieder bewölkt, ein eisiger Wind ging, die ersten Tropfen fielen. Eley hatte das Fenster gekippt, hörte den dumpfen Donner über den Bergen und immer wieder kurze, schrille Pfiffe der Verkehrspolizisten auf dem nahen Boulevard Krim Belkacem.
Keine Neuigkeiten von Amel oder Toumi.
Keine Nachricht von Steve.
Er saß auf dem Trockenen, schnappte nach Luft wie ein Fisch.
Am Morgen die tägliche Besprechung mit dem
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