Ein paar Tage Licht
Botschafter, den Leitern der Abteilungen, Carola Liebig, den Übrigen. Die Großfamilie. Nur Schneider, der BND -Mann, war noch immer nicht aus Islamabad zurückgekehrt.
Hier machte niemand Eley für das Geschehene verantwortlich. Sie wussten, dass er die Gefahren nicht unterschätzt hatte. Oft genug hatten sie seine Ratschläge und Warnungen belächelt. Fahrt nur mit Eskorte über Land. Informiert die Behörden, wenn ihr Algier verlasst. In die Kabylei? Dann nehmt unbedingt einen der gepanzerten Wagen. Elbe Defence, das BKA und er selbst sahen das anders. Verantwortung erwuchs eben auch durch die Position. Die Sicherheitslage in Algerien fiel in seinen und Schneiders Bereich, also waren sie mitverantwortlich, wenn Besuchern wie Peter Richter etwas zustieß.
So war es nun einmal.
»Ich hätte Ihnen neun ruhige letzte Monate gewünscht«, sagte Carola Liebig, legte die Hand flüchtig auf seine.
Im Anschluss an die Besprechung ein Telefonat nach dem anderen. Harry Landrich, das Krisenreaktionszentrum im Auswärtigen Amt, erneut Landrich. Mittags Katharina Prinz, die dem erweiterten Krisenstab angehörte und sich auf den aktuellen Stand hatte bringen lassen. Die Einzige in Deutschland, in deren Stimme kein Vorwurf mitschwang.
Und sonst, Ralf? Wie geht es dir?
Gut.
Jetzt sind es nur noch ein paar Monate …
Und wie geht’s dir?
Später hatte er mit Simon gesprochen, der auf gepackten Koffern hockte und Landrichs Sätze wiedergekäut hatte. Nimm es nicht persönlich, wir wollen dir nur den Rücken frei halten.
Schließlich, vor zehn Minuten, noch einmal Harry Landrich.
Egal, Ralf, egal, egal, egal! Du tust nichts, was Richters Leben gefährden könnte, klar?
Richters Leben ist gefährdet, Harry. Er wurde entführt.
Keine eigenen Ermittlungen! Nichts, was die Algerier anpissen könnte!
Ich denke bloß nach, Harry, Nachdenken ist okay, oder?
Solange du dabei auf deinem Arsch in deinem Büro sitzt.
Eley rollte mit dem Stuhl zum Fenster, legte die Füße aufs Sims. Der Donner war lauter geworden, der Himmel fast schwarz. In den Nachrichten war für den frühen Abend Hagel angekündigt worden.
Er schloss die Augen, dachte über General Soudani nach.
Soudani kannte Richter; er war in die Beschaffung militärischer Güter für die Armee involviert und bei mehreren Gesprächen mit Elbe Defence und Meininger Rau dabei gewesen. Das Haus in Constantine gehörte seinem Ministerium. Soudani war bei der Besprechung mit Amel und Toumi dabei gewesen, also in die Ermittlungen eingebunden. Er verfügte im Gegensatz zu Eley, zur CIA , der nordafrikanischen Presse über Informationen zu der mysteriösen Zelle Vertreiber der Ungläubigen.
Soudani, der überall war, mehr wusste als jeder andere.
Oberst zu Geuyn, der Militärattaché, war noch in seinem Büro, hatte eben den Computer heruntergefahren. »Fünf Minuten«, sagte er, »ich werde zum Aperitif erwartet.«
Eley folgte ihm mit dem Blick, als er zum Spiegel trat, den Scheitel nachzog. Goldenes Funkeln am Handgelenk, am Hals, die Haut von herbem Braun. »Soudani«, sagte er.
»General Soudani?« Zu Geuyn lächelte ihm im Spiegel zu.
»Wie schätzen Sie ihn ein?«
»Ich fürchte, ich weiß, worauf Sie hinauswollen.«
»Und?«
»Er ist durch und durch loyal.«
»Loyal gegenüber der Regierung?«
»Der Regierung, dem Militär, seinem Land.«
»Kein Islamist?«
»Gott bewahre, nein. Ein ganz normaler Muslim.«
»Halten Sie ihn für korrupt?«
»Nein. Er ist Soldat, Herr Eley.« Zu Geuyn kämmte den Schnurrbart, dann schob er den Kamm in ein Herrentäschchen und richtete die Krawatte. Er war Mitte fünfzig, Witwer, hatte seine Frau vor dreizehn Jahren in Kiew verloren. Autounfall, vermutlich ein Mord durch ukrainische Waffenschmuggler, man hatte es nie herausgefunden. »Aperitif« bedeutete eine Stunde mit den Damen und Herren der feineren ausländischen Gesellschaft auf der Terrasse der Bar vom Hotel Aurassi, eine Anmutung von kolonialer Aura in den Stimmen, Gesten, Blicken. Gelegentlich speiste man anschließend zusammen, wenn nicht, fuhr zu Geuyn wieder hoch nach El Biar in seine Hundertdreißig-Quadratmeter-Wohnung, hängte sich eine Schürze um den Hals und kochte zwei Stunden lang ein exquisites orientalisches Abendessen, das er vor dem Fernseher zu sich nahm. Nur algerische oder arabische Sender, hatte er einmal gesagt, alles andere interessiere ihn nicht. Später ein gutes Buch, vielleicht von Sansal, Djaout, Mammeri, um zehn ging das Licht aus.
So,
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