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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Begleiter …«
    Er hörte sie weinen.
    »Wiebke.«
    Sie legte auf.
    Eine Stunde später saß er im Fond eines Taxis, die Aktentasche auf dem Schoß. Der Koffer war verstaut, der Taxifahrer trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad, der Taxameter lief.
    Er blickte auf das Haus, die Tür, die Fenster. Seine Frau hatte sich in der Küche auf die Wange küssen lassen, war ihm nicht in die Diele gefolgt wie früher, stand nicht an der Tür wie früher.
    Sie stand nicht einmal an einem geöffneten Fenster oder hinter einem Vorhang.
    Winkte nicht.
    Er brauchte ein Winken.
    Ein Winken war wie ein unsichtbares Band, das sie und ihn zusammenhielt. Die Gewähr, dass sie noch da sein würde, wenn er zurückkam.
    Natürlich würde sie noch da sein, dachte er, verärgert über sich selbst. Er kam ja schon morgen zurück.
    »Fahren Sie«, sagte er und warf einen letzten Blick auf das Haus und dachte, dass sie morgen noch da sein würde und doch längst fortgegangen war.

40
    BERLIN
    »Klingt nach Autobahn«, sagte Katharina Prinz, während sie die abgerundeten Spitzen der Sushi-Stäbchen betrachtete.
    »Nationalstraße.«
    Sie zwang die Spitzen um ein Maki. Ingwer, Wasabi, Sojasoße dazu und langsam hoch damit. Das Maki bekam keine Luft, die Mitte grotesk zusammengequetscht, der obere und der untere Teil weiteten sich, drohten sich zu drehen. Der Ingwer fiel ins Plastik zurück. Sie hielt die Hand unter das Maki, Sojasoße tropfte darauf. »Surfen in Annaba?«
    Eley lachte lustlos.
    Sie beugte den Kopf vor, bugsierte das Maki in den Mund und leckte sich die Soße vom Handballen.
    Sie saß in ihrem Büro am Fenster auf dem Boden, hatte sich eingesperrt, eine halbe Stunde Alleinsein.
    Allein mit Eley und der Erinnerung.
    Der Betriebsausflug im Mai 2009, mit dem Bus übers Wochenende nach Annaba im äußersten Nordosten Algeriens. Die Botschaft – sie – hatte eingeladen, dazu einen kleinen Surfkurs spendiert. Am Strand hatte sie an Sex mit Eley gedacht, nun ja. Ein schlanker, gewandter Vierzigjähriger auf einem Surfbrett, man bekam das nicht alle Tage zu sehen.
    Zum Glück war es bei dem Gedanken geblieben. Ein paar Wochen später war Lyon gekommen. Ganz abgesehen davon, dass Eley nicht darauf eingegangen wäre. Im April hatte er, wie sie viel später erfuhr, Amel kennengelernt.
    »Müssen wir uns Sorgen machen, Ralf?«
    »Wer ist wir?«
    »Der Krisenstab, die Botschaft, ich.«
    »Ja«, sagte Eley.
    Das nächste Maki, sie beugte den Kopf tief. Diesmal klappte alles. »Wohin fährst du?«
    »Nach Tizi Ouzou.«
    »Ohne Anmeldung und Eskorte vermutlich.«
    »Ja.«
    »Wegen Richter?«
    »Ja.«
    Sie öffnete die Wasserflasche, trank einen Schluck. »Erklär es mir.«
    »Ein deutscher Waffenhändler ist da möglicherweise mit einem Mann verabredet, der in die Entführung von Richter involviert ist. Der Deutsche hat Soudani Panzerbüchsen besorgt, das war einfach, jetzt braucht er noch ein bisschen Aufregung und Wahnsinn.«
    »Und was willst du machen? Ihn verhaften?«
    Eley lachte nicht. »Das wird Soudani tun. Ich will dabei zusehen.«
    Sie legte die Stäbchen zur Seite, behielt die Flasche in der Hand. Der Hunger war fort, in ihrem Magen saß plötzlich Angst. Angst um Eley, um Richter. Dass da drüben in Algerien alles außer Kontrolle geriet. »Und der Botschafter?«
    »Sitzt gerade allein bei der DDSE und verflucht mich, schätze ich.«
    »Ruf ihn an.«
    »Wenn ich mehr herausgefunden habe.«
    Sie erhob sich und trat ans Fenster. Mit der Hand fuhr sie über die kühle Scheibe, über den blauen Himmel dahinter.
    »Sie haben Toni erschossen«, sagte Eley.
    »Ich weiß. Tut mir leid.« Carola Liebig hatte den Krisenstab informiert. Toni, der Fremdenlegionär aus dem Westen. Der Ungläubige, den die Entführer nicht gebraucht hatten. Die Islamisten, Ralf. Sie sagte es nicht.
    Sie leerte die Flasche, dann ging sie zur Tür und öffnete. Ein paar Köpfe wandten sich ihr zu, sie spreizte die Finger, in fünf Minuten. Das nächste abteilungsinterne Briefing. Drei ihrer Mitarbeiterinnen und ein Dutzend andere Leute in unterschiedlichen Referaten waren mit Algerien und Meininger Rau befasst. Sie mussten schnell sein, die Welt bestand auch aus anderen Regionen und Krisen.
    »Landrich hat vorhin angerufen. Er sagt, er erreicht dich nicht, hat es tausendmal versucht.«
    »Öfter«, sagte Eley.
    »Richters Familie und ein Kollege von dir landen am frühen Nachmittag in Algier. Du sollst sie abholen.«
    »Wird schwierig. Zum Glück gibt es da

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