Ein paar Tage Licht
Chinesen?«
»Richtig. Bei der Moschee haben sie erst algerische Arbeiter eingesetzt, aber die waren ihnen zu langsam. Jetzt hausen viele Tausend chinesische Arbeiter in Metallcontainern neben der Baustelle und ziehen die drittgrößte Moschee der Welt nach Mekka und Medina hoch. Die Algerier dürfen zahlen und beten, arbeiten und Geld verdienen dürfen sie nicht. Setzen Sie sich, Sie machen mich nervös.«
»Das ist meine Absicht.«
»Wollen Sie unser kleines Geheimnis verraten?«
Carlsen drehte das Blatt in ihre Richtung, schob es vor sie. Ein paar Zeilen, nicht allzu viele, fünf vielleicht. »Nein. Jemand anders hat Ihr kleines Geheimnis herausgefunden.«
»Welches?«
»Haha.«
»Setzen Sie sich, sonst entlasse ich Sie«, murmelte sie.
Er schnaubte, lachte traurig, so schlimm also. »Lesen Sie.«
»Lesen Sie’s mir vor.«
»Mein Französisch ist nicht so gut.«
Sie schwieg.
Carlsen setzte sich, drehte das Blatt wieder herum, las langsam vor: »Je pense à toi jour et nuit.«
41
TIZI OUZOU
Tizi Ouzou, »Hügel der Ginster«, neunzigtausend Einwohner, eine vernachlässigte Universitätsstadt am Fuße des Sidi Belloua, 1858 von den Franzosen gegründet, bewohnt überwiegend von Kabylen, den Berbern Nordalgeriens. Die Architektur war funktional und ohne Pomp, die Straßen und Gehwege in schlechterem Zustand als in Algier. Überall lag Müll herum, aufgeplatzte Plastiksäcke, dafür viel Grün, Bäume, Efeu. Und immer wieder die bunte Berberflagge, drei horizontale Rechtecke in den Farben Blau, Grün, Gelb, darauf in Rot das Zeichen der berberischen Symbolschrift für »freier Mensch«.
Eley war ein paarmal hier gewesen, konnte sich halbwegs orientieren. Im dichten Verkehr folgte er dem Honda und dem Cayenne in Richtung Zentrum. Er hatte in einem Dorf Wasser und Brot gekauft, aß und trank beim Fahren. Die vorderen Fenster standen offen, die Luft stank nach Abgasen, war dafür angenehm kühl. Immer wieder schnappte er im Verkehrslärm Wortfetzen von Passanten auf, häufig in Taqbaylit, der Sprache der Kabylen, manchmal Französisch, Algerisch, die Araber waren in der Minderheit.
Auch in Tizi Ouzou prägten zahlreiche Soldaten und Polizisten das Stadtbild. Eine unruhige, renitente Region, dazu arm. Alle, die von weither gekommen waren, um sie zu unterwerfen, hatten sich schwergetan: Phönizier, Römer, Türken, Araber, Spanier, Franzosen, nach 1962 die FLN -Politiker aus Algier, die sich die Arabisierung auch der Berber auf die Fahne geschrieben hatten. Die Kabylen, Geschwister der Tuareg, verlangten schon seit der Unabhängigkeit mehr Rechte und kulturelle Autonomie. Immer wieder hatten sie gegen die Arabisierungspolitik der algerischen Regierungen demonstriert, hatten dabei Tote zu beklagen gehabt, vor allem im »Berber-Frühling« 1980 und im »Schwarzen Frühling« 2001.
Wenige Autos hinter dem Honda passierte Eley den Busbahnhof, das Rathaus, bog mehrere Male ab. Die Straßen wurden schmaler und stiller, waren jetzt von einstöckigen sandfarbenen Häusern gesäumt, die Gehwege lichteten sich. An einem kleinen Platz unterhalb des Sidi Belloua hielt der Cayenne und setzte in einen Parkplatz am Straßenrand zurück. Während der Honda in einer Seitengasse verschwand, fuhr Eley um den Brunnen in der Mitte herum und blieb auf der gegenüberliegenden Seite stehen, kaum dreißig Meter Luftlinie entfernt.
Phil und seine Leibwächter – der Russe und einer der Amerikaner – gingen auf ein Café zu, eine Handvoll Tische unter einer löchrigen Markise in den Farben Blau, Grün, Gelb. Kleine, alte Männer saßen dort, die den Cayenne betrachteten, die Ankömmlinge keines Blickes würdigten, wachsame Fremde mit einschüchternden Sonnenbrillen, die Bewegungen angespannt, signalisierten Gefahr. Phil setzte sich an einen freien Tisch, die Leibwächter blieben in seiner Nähe stehen.
Eley warf einen Blick auf die Uhr – zwanzig vor eins.
Er zog die unter dem Fahrersitz befestigte Pistole hervor, steckte sie ins Schulterholster und stieg aus.
Die Gebäude auf seiner Seite des Platzes waren ein Stück zurückgesetzt, ein Imbiss, ein paar Wohnhäuser, eine Bäckerei, an der nächsten Ecke ein Friseurladen, hinter der Fensterscheibe Topfpflanzen und die Köpfe Wartender. Er betrat den Imbiss, trug einen Pappteller mit Brot und Lammfleischwürstchen zu einem Stehtisch, aß langsam, während er das Café gegenüber im Blick behielt, verborgen hinter großen gelben arabischen Schriftzeichen, die sich quer über
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