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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Taxis.«
    Sie musste schmunzeln, trotz der Angst. So kannte sie Eley. Im Dienst der Sache auf dem radikalen Egotrip.
    Sie war zum Schreibtisch gegangen, saß jetzt. Der E-Mail-Eingang war voll, über dreißig Mails in einer halben Stunde. Sie überflog die ersten. Die Staatssekretärin wollte am frühen Nachmittag ein weiteres Gespräch. Eine Mitarbeiterin der »Freunde Algeriens« hatte das Programm für das heutige Treffen geschickt und noch einmal herzlich um ihre Teilnahme anstelle »des bedauerlicherweise erkrankten Dr.   Zimmermann« gebeten. Jens Carlsen, Pressesprecher und heimlicher Komplize, wollte mit ihr reden, dringend!!!
    »Eine barrage «, sagte Eley. »Ich muss Schluss machen.«
    »Pass auf dich auf.«
    »Und du auf dich.«
    Sie beendete die Verbindung. Wie unterschiedlich die Wege verlaufen konnten, dachte sie. Eley und sie hatten fast am selben Tag in Algier begonnen, Anfang Juli 2008. Er war noch dort, liiert, mit dem Land verwachsen, würde die vier Jahre plus eins voll machen. Sie war Anfang 2010 auf die Bitte Heinrich Zimmermanns hin nach Berlin zurückgekehrt.
    Das Telefon klingelte.
    »Ja, Jens?«
    »Haben Sie ein paar Minuten? Aber nicht am Telefon.«
    »Tiefgarage? Ein Scherz, kommen Sie rüber.«
    Sie klickte sich durch weitere Mails, aber die Gedanken kehrten nach Algerien zurück. Sie war nicht Zimmermanns wegen gegangen, sondern aus Angst vor der Unbekannten in Lyon Rigals dunklem Abgrund.
    Außerdem hatte sie begriffen, dass sie als Botschafterin in Algier fehl am Platz war. Schon zwischen 2004 und 2006, als sie dort die Politische Abteilung geleitet hatte, war das absehbar gewesen, doch sie hatte es nicht wahrhaben wollen. Sie hatte geglaubt, als Chefin einer Auslandsvertretung eigene Schwerpunkte setzen zu können, die sich nicht um den Fokus Wirtschaft/Energie/Rüstung drehten.
    Natürlich, eine Botschaft war keine Spielwiese für individuelle Fantasien, sondern eine Repräsentanz. Doch sie wollte Repräsentantin eines demokratischen Rechtsstaates in einer arabischen Scheindemokratie sein, nicht Wegbereiterin deutscher Investitionen, Erfüllungsgehilfin der deutschen Wirtschaft.
    Beim Staatsbesuch der Kanzlerin im Juli 2008, als sie kaum zwei Wochen im Amt war, musste sie sich eingestehen, wie naiv und blind sie gewesen war. Algerien war ins Blickfeld der gierigen Bundesrepublik geraten. Sprachlos verfolgte sie die Pressekonferenz, hörte Merkels Rede vor der Deutsch-Algerischen Handelskammer, las die Kommuniqués, ertrug die Anbiederung ihrer Kanzlerin, die sich als »Türöffnerin« für deutsche Unternehmen sah. Man wolle, sagte sie, die »Herzen, Köpfe und Genehmigungen« der Algerier gewinnen, »die Chancen nutzen«, »ein wenig mehr Dynamik« in die Wirtschaftsbeziehungen bringen, und man schaue »mit Interesse auf Ihre Rohstoffe«: »Wir wollen Win-win-Situationen.« Die Auftragsvergabe in Algerien, einem von Transparency International als reichlich korrupt bewerteten Staat, wurde für »transparent« erklärt. Die hochproblematische Realität des Landes wurde beiseitegewischt und mit mahnenden Untertreibungen übertüncht wie der, den algerischen Frauen würden immer noch »Steine in den Weg« gelegt.
    Hochrangige Vertreter von Rheinmetall, RWE , ThyssenKrupp, Elbe Defence und anderen Unternehmen gehörten der Delegation an, auch der deutsche Architekt, dessen Büro die Große Moschee in Algier entworfen hatte. Es war bereits von den Fregatten die Rede, deren Export drei Jahre später im Bundessicherheitsrat vorabgenehmigt werden würde, von Ausrüstung und Fahrzeugen für Polizei und Militär.
    Wirtschaft, Energie – und um zu bekommen, was man wollte, bot man fahrlässig das an, was die in Algier herrschende Clique alter Männer wollte: Rüstungsgüter.
    Es klopfte. Jens Carlsen trat ein, in der Hand ein Blatt Papier.
    »Die Große Moschee«, sagte sie, eine Ahnung von Unheil verdrängend.
    »Algier?«
    Sie nickte. »Eine Milliarde Euro. Drei Milliarden, wenn man die Kosten für die notwendige Stadtentwicklung dazurechnet. Drei Milliarden Euro, damit Abdelaziz Bouteflika sich ein Denkmal für die Ewigkeit setzen kann. Und wer baut das alles? Wer baut die Ost-West-Autobahn? Die anderen großen Infrastrukturprojekte? Falls Sie vom Glauben abfallen.«
    »Von welchem Glauben?«
    »Von meinem.«
    Carlsen legte das Blatt auf den Schreibtisch. Die Augen hinter der Hornbrille blickten düster, zeigten deutlich, dass er keine Lust auf Scherze und Small Talk hatte. »Die

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