Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
Haushälterin, Mrs Wilton, waren vielleicht die einzigen Menschen, deren Stimmen er hören würde, bis er morgen früh wieder zum Gericht aufbrach. Die Stille würde immer drückender werden und fast Gestalt annehmen, als wäre sie eine weitere Person in diesem Haus.
Er schnaubte. Das war doch absurd! Allmählich wurde er melodramatisch. In seiner Zeit als Junggeselle – und die hatte lange gedauert – hatte ihn dergleichen nie gestört. Mehr noch, damals hatte er nach dem ständigen Lärm in seiner Kanzlei und dem Gerichtssaal die Ruhe im Haus als wohltuend empfunden. Gelegentliche Dinner mit seinen Freunden, vor allem mit Monk und Hester, waren die einzige Abwechslung gewesen, nach der er ein Bedürfnis gehabt hatte – außer ab und an die Besuche bei seinem Vater in Primrose Hill. Doch gegenwärtig reiste Henry Rathbone durch Europa – Deutschland, genauer gesagt – und würde bis weit ins neue Jahr im Ausland bleiben.
Oliver wäre heute Abend gerne zu ihm hinausgefahren. Sein Vater war seit jeher sein liebster Freund. Andererseits besuchte man seine Freunde nicht, wenn das eigene Innere leer war. Es gab einfach keinen interessanten Fall, mit dem er ihn vor eine Herausforderung stellen konnte, nicht einmal einen bestimmten Verlust oder ein besonderes Problem, um Trost bei ihm zu suchen. Da war nichts, nur das Gefühl, gescheitert zu sein. Und doch wusste er nicht, was er anders hätte tun sollen, ohne seine Ehre zu verlieren.
Er saß in dem wunderschönen Speisezimmer, das Margaret hatte einrichten lassen. Und während er sein Essen verzehrte, ging er sämtliche Geschehnisse noch einmal in Gedanken durch.
Wenn er noch heftiger darum gekämpft hätte, Ballingers Unschuld zu beweisen, womöglich auf einen Trick gekommen wäre, ob ehrenhaft oder nicht, hätte das doch sicher keinen Einfluss auf das Urteil gehabt, oder?
Aber Margaret hatte es nie so gesehen. Sie glaubte, Rathbone hätte seinen Ehrgeiz der Treue zu Margarets Familie vorangestellt. Ballinger war ihr Vater, und ungeachtet aller Beweise weigerte sie sich, seine Schuld zur Kenntnis zu nehmen. War es nun ein Segen oder ein Fluch, dass man ihn im Gefängnis ermordet hatte, bevor er gehängt werden konnte?
Auch daran hatte sie Rathbone die Schuld gegeben, denn sie glaubte fest daran, dass Widerspruch, egal, mit welcher Begründung, hätte eingelegt und Ballingers Leben gerettet werden können.
Aber das stimmte einfach nicht! Für einen Widerspruch hätte jede Grundlage gefehlt, und abgesehen davon wusste Rathbone, dass Ballinger schuldig war. Ballinger hatte ihm das unter vier Augen gestanden. Rathbone erinnerte sich noch an die Arroganz im Gesicht seines Schwiegervaters, als der ihm die ganze Geschichte erzählt hatte. Bis zum Schluss war dieser Mann davon überzeugt gewesen, im Recht zu sein.
Rathbone aß mechanisch und schob seinen Rinderbraten und das Gemüse auf dem Porzellanteller hin und her, ohne irgendetwas zu genießen. Seine Appetitlosigkeit war eine Beleidigung für Mrs Wilton, aber sie würde es ja nie erfahren. Er würde einfach davon schwärmen, was für ein Gedicht ihr Essen gewesen sei. Seine Bediensteten gaben sich große Mühe, ihm eine Freude zu bereiten. Das war rührend und auch etwas peinlich. Sie sahen klarer, als es ihm recht sein konnte, was mit ihm los war. Es hieß, dass kein Mensch in den Augen seines Kammerdieners ein Held war. Diese Gabe der scharfsinnigen Beobachtung schien auch den Butler und die Haushälterin auszuzeichnen. Ebenso mochte sie seines Wissens auch seinem Diener und den Dienstmägden verliehen worden sein.
Nun, da Margaret ihn verlassen hatte, leistete er sich eigentlich zu viele Bedienstete, doch er brachte es nicht über sich, auch nur einen Einzigen von ihnen zu entlassen – jedenfalls noch nicht. Sprach das für ihn? Oder weigerte er sich schlichtweg, die Situation als endgültig zu akzeptieren?
Seine Gedanken kehrten zu Ballinger und jenem letzten Gespräch zurück, das sie miteinander geführt hatten. War Ballinger zu Beginn des Ganzen wenigstens ein bisschen im Recht gewesen? Sein Schwiegervater hatte das eindeutig so gesehen. Der Niedergang war erst danach gekommen.
Oder war schon der erste Schritt ein Fehler gewesen und der Rest eine zwangsläufige Folge davon?
Er aß seine Nachspeise auf, einen zart gebackenen Doppelkeks mit Vanillefüllung. Mrs Wilton gab sich wirklich alle Mühe. Er musste ihr unbedingt ein Kompliment machen.
Schließlich legte er die Serviette neben den Teller und
Weitere Kostenlose Bücher