Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
unmittelbaren Umgebung des Piers, doch wirklich Nützliches hatte ihm niemand sagen können. Jemand gab an, drei Männer beobachtet zu haben, die schon erheblich angetrunken gewesen waren, wusste aber nicht mehr genau, an welchem Abend das gewesen war. Jemand anders hatte am fraglichen Abend zwei Frauen gemeinsam zum Pier gehen sehen, aber mit Sicherheit keinen Mann. Die ganze Untersuchung war bisher ein einziges Fiasko und bedrückte Monk sehr.
Das Boot erreichte die Stufen von Wapping. Monk bezahlte den Fährmann und kletterte an Land. Gerade herrschte Ebbe, und die Treppe war frei, wenn auch nass. Für Monk bedeutete das, dass er darauf achten musste, nicht auszurutschen. Blaue Flecken oder – schlimmer noch – ein Sturz ins kalte Wasser und durchnässte Kleider wären ein denkbar schlechter Beginn des Tages, der auch so schon schwer genug zu werden versprach.
Unbeschadet kam Monk oben an und schritt über den nach allen Seiten offenen Kai. Da das Wasser nun wieder hereinflutete, frischte der vom Meer kommende Wind auf. Es roch nach Salz und Fisch und hin und wieder nach nicht gerade erfrischend duftenden Abwässern. Gleichwohl war die Luft alles in allem immer noch besser als in den Straßen der Stadt, enthielt sie doch eine Lebenskraft, die er lieben gelernt hatte. Hier war der Himmel weit. Keine Gebäude versperrten die Sicht, und immer gab es Licht, egal, wie dunkel das Wetter sein mochte. Selbst in der Nacht ließen sich im gelben Schein der Lampen die Schiffe erkennen.
Monk hatte keine Zeit, zuerst auf der Wache nach dem Rechten zu sehen. Er lief direkt zur High Street und stieg in einen Hansom.
Rathbone war bei seinem Eintreffen angespannt, strotzte aber geradezu vor Energie. Er nahm Monk persönlich in Empfang und führte ihn in sein vertrautes, ruhiges Zimmer. Im Kamin glühte ein Feuer, obwohl Rathbone später fast den ganzen Tag am Gericht verbringen würde.
»Kommen Sie rein. Setzen Sie sich.« Er deutete auf einen der Ledersessel. »Monk, ich brauche Ihre Hilfe. Diese Sache ist plötzlich dringlich geworden. Lambourns Schwester hat gestern ausgesagt, und jetzt sieht es verheerend für Dinah aus. Lambourn ist dabei auch nicht gut weggekommen. Ich glaube, sie ist mehr ihrem Mann als ihrem Bruder loyal ergeben.«
»Ihr Mann lebt ja auch noch«, kommentierte Monk zynisch.
Rathbones Züge spannten sich an, doch er verzichtete auf eine Bemerkung. »Sinden Bawtry war übrigens zum zweiten Mal im Gericht.«
»Um das Interesse der Regierung am Arzneimittelgesetz zu schützen?«, fragte Monk.
»Möglicherweise. Aber auf alle Fälle ihren Ruf. Der Richter entscheidet bei jeder Gelegenheit gegen mich, und bisweilen dehnt er seinen Spielraum ganz schön weit aus. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass er nach Anweisungen handelt.« Zu rastlos, um sich zu setzen, marschierte Rathbone unentwegt hin und her. »Monk, ich habe plötzlich begriffen, worum es hier eigentlich geht. Ich verstehe nicht, wie ich so blind sein konnte! Na gut – jetzt ist mir vieles klar. Das alles ist jetzt ohne Bedeutung.« Er schritt von Monks Sessel zur Tür und wieder zurück. »Dinah hat das mit der Soiree bewusst erlogen, damit Sie sie verhaften würden und sie Sie bitten konnte, mich für ihre Verteidigung zu gewinnen!« Die letzten Worte schrie er fast und beobachtete dabei aufmerksam Monks Gesicht.
Dieser war konsterniert. Der Kummer seines Freundes wegen Margaret musste sein Urteilsvermögen noch schlimmer getrübt haben, als er das befürchtet hatte! »Dinah Lambourn hat sich bei einem extrem sadistischen Mord selbst belastet, nur um sich damit eine Gelegenheit zu verschaffen, von Ihnen verteidigt zu werden?«, fragte Monk, unfähig, sich seine Fassungslosigkeit nicht anmerken zu lassen. »Wieso, um Himmels willen? Hätte sie es nicht irgendwie bewerkstelligen können, Ihnen vorgestellt zu werden?«
»Doch nicht mir, Sie Dummkopf!«, rief Rathbone mit einem Anflug von schwarzem Humor. »Sie wollte einen öffentlichen Prozess als Bühne für die Geschichte über Joels Tod. Durch den Mord an Zenia Gadney sah sie ihre Chance dazu, und die hat sie ergriffen. Um den Namen und den Ruf ihres Mannes als sorgfältiger, ehrenhafter Wissenschaftler zu retten, ist sie sogar bereit, das Todesurteil zu riskieren.«
Monk begriff schlagartig, als er ein Leuchten in Rathbones Gesicht und in seinen Augen neben Bestürzung auch Enthusiasmus bemerkte. Rathbone war angespannt und war in den wenigen Monaten seit dem Fall
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