Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
nicht, wer diese Frau war. Sie legte es eindeutig darauf an, so auszusehen wie ich. Nur hat es keinen Sinn, den Ladeninhaber und die anderen Leute als Zeugen zu holen, weil sie genau das sagen werden, was alle von ihnen erwarten – und was sie schon jetzt für die Wahrheit halten. Aber ich war nicht dort. Das weiß ich so sicher, wie ich hier sitze.«
Sie machte einen tiefen, zittrigen Atemzug. »Und ich werde nie glauben, dass Joel Selbstmord begangen hat. Er wusste, dass seine Untersuchung zutraf, und war fest entschlossen, die Kerle zu bekämpfen. Sie haben keinen Begriff davon, was für ein schändliches Verbrechen der Opiumhandel ist, Sir Oliver, und auch nicht von den Leuten, die darin verwickelt sind.« Ihre Stimme bebte. »Joel hat geweint über all das, was wir in China angerichtet haben. Es ist sehr schmerzhaft, sich einzugestehen, dass das eigene Vaterland Gräueltaten begangen hat. Viele können das nicht. Stattdessen erfinden sie nur noch mehr Lügen, um die ersten zu vertuschen.« Ein eigenartiger Ausdruck trat in ihre Augen, fast eine Herausforderung.
Mit einem Schlag erkannte er klar und deutlich eine neue Wahrheit. Der Schweiß brach ihm aus allen Poren, und ihm stockte der Atem. Dinahs Behauptung, sie sei mit Helena Moulton in diesem Konzert gewesen, war eine bewusste Lüge. Sie hatte einkalkuliert, dass man sie entlarven und Monk keine andere Wahl bleiben würde, als sie wegen des Mordes an Zenia Gadney zu verhaften – und dass sie in einem Prozess auf Leben und Tod vor Gericht stehen würde. Sie hatte von Anfang an gewollt, dass es so kam. Sie hatte Monk gebeten, ihn, Rathbone, für ihre Verteidigung zu gewinnen, weil sie glaubte, dass er die Wahrheit über Joels Ermordung ans Licht bringen und seinen guten Namen wiederherstellen würde. Vielleicht würde sogar jemand anders sein Werk fortsetzen. Von solcher Tiefe war ihr Glaube an ihn – und ihre Liebe.
So lächerlich es ihm vorkam, auf einmal war sein Mund wie ausgetrocknet, und er musste schwer schlucken, um überhaupt sprechen zu können. Er wandte sich ab und vertrieb mit einem schnellen Blinzeln die Tränen.
»Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht.« Das war ein Versprechen, das er halten würde, auch wenn er nicht wusste, ob es genügen würde, um Dinah, geschweige denn Joel Lambourns Ruf, zu retten. Wie er musste auch sie erkannt haben, dass Richter Pendock gegen sie war. Und dennoch wich sie nicht zurück.
Wie sehr sie sich von Margaret unterschied! Wie tapfer, waghalsig und loyal. Wie schön und auch kämpferisch. Was für ein Mensch musste Joel Lambourn gewesen sein, dass er einer solchen Frau wert war?
Er erhob sich sehr langsam. »Ich sehe Sie morgen wieder«, stieß er heiser hervor. »Ich kenne eine Stelle, wo ich zumindest versuchen kann, Hilfe zu bekommen.«
15
Monk war bereits um sechs Uhr auf den Beinen. Gestern hatte er spät am Abend eine dringende Nachricht von Rathbone erhalten, mit der Bitte, um acht Uhr morgens in seine Kanzlei zu kommen, damit sie vor der Fortführung des Prozesses noch genügend Zeit für eine Besprechung hatten. Beim gemeinsamen Frühstück mit Hester waren beide recht schweigsam, denn ihnen wurde immer eindringlicher bewusst, wie verzweifelt es um den Fall stand. Um sieben Uhr saß Monk in der Fähre nach Wapping. In der Schulter spürte er nach wie vor einen Schmerz von dem Überfall auf der Straße. Seitdem waren er und Runcorn gewarnt und achteten sorgfältiger auf ihre Sicherheit.
Auf das Treffen mit Rathbone freute er sich nicht gerade. Ein Handgemenge auf einem der Kais, bei dem ein Mann totgeschlagen worden war, hatte ihn gestern den ganzen Tag in Anspruch genommen, und in der kurzen Zeit, die er am Abend für den Mordfall hatte erübrigen können, hatte er nichts erreicht. Er wusste, dass Hester Rathbone schon von der Krankenschwester Agatha Nisbet erzählt hatte, aber all das diente eigentlich nur dazu, das zu bestätigen, was ihm ohnehin schon klar war: dass Joel Lambourn Nachforschungen über Opium als Bestandteil von frei verkäuflichen Medikamenten durchgeführt hatte.
Hatten der im Rauschgifthandel erzielte Reichtum und die Gräueltaten in den Opiumkriegen wirklich etwas mit einem Fall zu tun, der zunehmend Züge einer Familientragödie aufwies?
Vielleicht hoffte Rathbone ja, dass Monk etwas Neues in Erfahrung gebracht hatte, doch er kam mit leeren Händen.
Orme war immer noch dabei, die Bewohner von Limehouse zu befragen, insbesondere diejenigen aus der
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