Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
bedankte sich und bezog an seinem üblichen Platz in der Mitte der freien Fläche Stellung – wie ein Gladiator in der Arena und ebenso ungeschützt. »Sie haben Opium erwähnt, Mr Herne. War Ihnen denn bekannt, dass Dr. Lambourn es einnahm?«
»Erst nach seinem Tod!«, rief Herne hastig.
»Gerade haben Sie gesagt, dass Sie sich Vorwürfe machen, weil Sie nicht merkten, dass er es so häufig benutzt habe. Wie konnte irgendjemand das von Ihnen erwarten, wenn Sie gar nicht wussten, dass er es überhaupt einnahm?«
»Ich meinte, dass ich es vielleicht hätte merken müssen«, verbesserte sich Herne.
»Könnte er mehr eingenommen haben, als ihm bewusst war?«, regte Rathbone an.
Herne starrte ihn verwirrt an. »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
»War das Thema seiner Untersuchung denn nicht Opium, das als nicht verschreibungspflichtiges Medikament im ganzen Land frei erhältlich ist, ohne dass Angaben auf dem Etikett dem Kunden Aufschluss darüber geben, wie …?«
Coniston sprang auf. »Mylord, Dr. Lambourns Untersuchung war vertraulich. Dies ist nicht der geeignete Ort, um über etwas zu debattieren, dessen Richtigkeit erst noch bewiesen werden muss.«
»Ja, Ihrem Einspruch wird stattgegeben, Mr Coniston.« Pendock beugte sich zu Rathbone hinüber. »Diese Art der Fragestellung ist irrelevant, Sir Oliver. Sie können sie nicht mit Zenia Gadneys Ermordung in Zusammenhang bringen. Wollen Sie unterstellen, dass Mrs Lambourn irgendwie unter dem Einfluss von nicht korrekt etikettiertem Opium stand, und das in einem Ausmaß, dass sie nicht mehr für ihre Taten verantwortlich war?«
»Nein, Mylord. Aber mein gelehrter Freund hat das Thema der Einnahme von Opium aufgeworfen …«
»Gewiss«, sagte Pendock hastig. »Mr Coniston, Sir Oliver hatte keine Einwände gegen Ihren Hinweis darauf, ich aber sehr wohl! Das hat nichts mit dem Mord an Zenia Gadney zu tun. Bitte beschränken Sie sich auf den vorliegenden Fall. Fahren Sie fort, Sir Oliver, wenn Sie den Zeugen noch irgendetwas zu fragen haben, das einen Bezug zu diesem Prozess hat.«
Rathbone stand regungslos in der Mitte der freien Fläche und blickte auf zu dem auf seinem hohen Stuhl thronenden Pendock. Diese Position, seine weiße Allongeperücke und seine scharlachrote Robe hoben den Richter von allen übrigen Personen im Saal ab. Dieser Mann hatte Macht, der sich alle fügen mussten. Und Rathbone erkannte in Pendocks Gesicht durch nichts zu erschütternde Unerbittlichkeit. Es war ein merkwürdiger, eisiger Moment des Begreifens. Pendock war nicht unparteiisch; er verfolgte seine eigenen Zwecke, stand vielleicht sogar unter Befehl von weiter oben.
»Keine weiteren Fragen«, erklärte Rathbone. Damit drehte er sich auf dem Absatz um und kehrte zu seinem Sitz zurück. Als er sich gegenüber der Galerie befand, bemerkte er, wie Sindon Bawtry Pendock unverwandt ins Gesicht starrte.
Am Ende des Prozesstags suchte Rathbone Dinah im Gefängnis auf. Als ihrem Anwalt stand es ihm zu, mit ihr unter vier Augen zu sprechen. Sobald die Zellentür in seinem Rücken zufiel und sie eingesperrt waren in diesem muffigen, engen Raum, wo jedes Wort von den Steinmauern widerhallte, begann Rathbone ohne Umschweife. Die Zeit war kurz – und kostbar.
»Wann erfuhren Sie von dem Verhältnis Ihres Mannes mit Zenia Gadney? Sie kämpfen um Ihr Leben. Lügen Sie mich jetzt nicht an. Glauben Sie mir, das können Sie sich nicht leisten.«
Ihr Gesicht war leichenblass, die Augen hohl, der ganze Körper angespannt, doch nichts an ihr ließ ein Schwanken erkennen. Rathbone konnte gar nicht ermessen, welche Anstrengung sie das kostete.
»Wann genau, das weiß ich nicht mehr. Vor ungefähr fünfzehn Jahren«, antwortete sie.
»Und entspricht das, was Ihre Schwägerin gesagt hat, der Wahrheit? Dass Ihr Mann bestimmte Praktiken von Ihnen wollte, zu denen Sie nicht bereit waren?«
Kurz flammte Zorn in ihren Augen auf. »Nein! Joel war … sanft, absolut normal! Nie hätte er ihr so etwas erzählt! Über solche Dinge spricht man nicht, selbst dann nicht, wenn sie wahr wären!«
Er musterte sie aufmerksam. Sie war wütend und kämpferisch – aber es war Joel, für den sie kämpfte! Oder ging es ihr doch um sich selbst? Leugnete sie die angeblichen Praktiken deshalb so vehement, weil sie erlogen oder weil sie die bittere, peinliche Wahrheit waren? Er wollte ihr glauben.
»Warum ging er dann all die Jahre immer wieder zu ihr und bezahlte sie?«, drängte er. Diese Frage war womöglich der
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